Die Idee, Mineralwasser um Literpreise von über fünf Euro aus dem Supermarkt nach Hause zu tragen, anstatt einfach den Wasserhahn aufzudrehen, klingt in Österreich noch exotisch.

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Nur weil etwas in erstklassiger Qualität aus der Leitung kommt, heißt das noch lange nicht, dass man darum keinen Kult entwickeln kann: "Cooles" Wasser wird zum Marken- und Lifestyleprodukt.

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Natürlich ist Häme nur der Neid der Besitzlosen. Deswegen war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Damen und Herren, denen in den Räumen des STANDARD kürzlich das erste Mal "Voss" vorgesetzt wurde, die Größe des Augenblicks nicht zu würdigen wussten: "Schmeckt exakt wie Wasser", war noch der trockenste Kommentar. "So eine Flasche wird sonst ja mit einem Zerstäuber geliefert", setzte sich die Designfraktion mit dem an einen übergroßen, coolen Parfumflacon erinnernden Gebinde auseinander. Und: "Leitung schmeckt frischer" kam dann auch noch.

Eines aber hatten alle Rezensenten des stillen norwegischen Edelwässerchens (in der 0,4-Liter-Flasche bei Meinl am Graben um zwei Euro zu finden) gemein: Das Konzept "Designerwasser" blieb den (sich an die Stirn tippenden) Voss-Verkostern verschlossen. Die Akzeptanz von Wasser als Lifestyleprodukt dürfte noch eine Durststrecke vor sich haben.

Exotisch

Sicher: Daran, wie das Begehen von Städten ohne längst allgegenwärtige Flaschen mit "Sportverschluss" früher funktioniert hat, erinnert sich kaum jemand mehr. Aber die Idee, Mineralwasser um Literpreise von über fünf Euro aus dem Supermarkt nach Hause zu tragen, anstatt einfach den Wasserhahn aufzudrehen, klingt in Österreich noch exotisch. Daran können auch die rund 25 Wässer, die bei Meinl am Graben im Regal stehen, wenig ändern: Außer dem norwegischen Edelwasser Voss (norwegisch für "Wasserfall") gibt's kaum Überraschungen - es dominieren Variationen zu Vöslauer, Römerquelle & Co.

Anderswo ist man weiter: Bei "Colette's", dem ultraschicken Lifestyle-Kaufhaus in Paris, gibt es längst eine "Wasserbar". Und allein die Anordnung der Flaschen mit über 120 Wässern aus allen Winkeln der Erde rechtfertigt die Existenz der Wassertheke.

Alltags- zum Luxusprodukt

Wenn dann - wie in vielen Metropolen - Leitungswasser nach Chlor, Rohr oder schal schmeckt, ist es kein Wunder, wenn sich neben dem Markt zur Abdeckung des Grundbedürfnisses auch einer entwickelt, in dem die Überhöhung des Alltags- zum Luxusprodukt zelebriert wird.

Freilich gibt es - abseits von Mineralwasserregalen in den Premium-Outlets der Supermarktketten - mittlerweile auch in Österreich die Tendenz zum Lifestyle-Trinkwasser: Wer etwa im Shambala, dem Restaurant des Nobelhotels Le Meridien an der Wiener Ringstraße, Platz nimmt, erhält zur Wein-auch die Wasserkarte.

"Der Alkohol-aber auch der Softdrink-Konsum gehen zurück", erklärt Markus Koll, Food & Beverage Operations Manager im Nobelhotel, unter Verweis auf den Wellnessboom. Gleichzeitig wolle man aber auch den internationalen Trend ("der Wasser-Sommelier ist ein Beruf, der Zukunft hat", Koll) in Wien als Erster aufgreifen - wenn auch mit einem Augenzwinkern: "Natürlich ist das auch ein bisserl ein Gimmick."

"Wasserwagen"

Allerdings eines, das man durchaus ernsthaft präsentiert: Auf dem "Wasserwagen" des Le Meridien finden sich über 20 Wassersorten. Von Österreich (Vöslauer, Großglockner, Montes) geht die Wasserfahrt nach Frankreich (Evian, Perrier, Châteldon. Wattwiller), England (Hildon, Blue Keld Artesia), Wales (Ty Nant), Norwegen (Voss), Schottland (Gleneagles), Schweden (Ramlösa), Italien (San Pellegrino), Portugal (Serra de Estrella), Spanien (Pineo) und Deutschland (Selters) - und zwar in "Sparkling"- und "Still"-Varianten. Und wie beim Wein wird auch beim Wasser fachkundig und speisenkompatibel beraten - bei Preisen bis zu 14 € pro 0,8-Liter-Bouteille ist das nicht zu viel verlangt. Freilich: Wer im Shambala "Leitungswasser" verlangt, bekommt das nicht extra verrechnet. Koll: "Das wäre ja Nepp."

Coca-Colas Waterloo

Schließlich steht gerade Wasser für Reinheit und Ehrlichkeit. Hier Dreck am Stecken zu haben wäre fast peinlicher, als mit gepanschtem Wein erwischt zu werden. Dieses Waterloo durchlebt dieser Tage Coca-Cola. Der US-Konzern musste zugeben, dass sein Edelwasser "Dasani" (Halbliterpreis rund 1,40 €) nicht aus unberührten Bergquellen stammt: Dasani sprudelt aus Londons Wasserleitungen. In Proben wurde überdies zu viel Brom nachgewiesen. Cola zog die Notbremse: Dasani wurde vom UK-Markt genommen - und wird so bald auf keiner europäischen Wasserkarte zu finden sein. (Thomas Rottenberg, Der Standard, Printausgabe, 30.03.2004)