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In Zukunft etwa wird es Fichten, "das Haupt-Arbeitstier der Forstwirtschaft", in Mitteleuropa zu heiß werden.

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Wien/Karlsruhe – Mag der lange Winter es noch so gezielt vertuscht haben: Frühjahrspflanzen treiben fünf bis sieben Tage früher als vor 15 Jahren. Das beobachteten Phänologen der Zentralanstalt für Meteorologie Hohe Warte. 120 Freiwillige notierten das Datum jahreszeitlich bedingter Erscheinungen bei Pflanzen und Tieren über die Jahre.

Für Laien mag der Anstieg der Mitteltemperatur um 0,6 Grad Celsius weltweit und 1,2 Grad in Europa belanglos erscheinen. "Pflanzen reagieren jedoch empfindlich auf diese Veränderungen", betont Elisabeth Koch, die Leiterin der Untersuchungen. In der Nordhemisphäre seien die Wachstumsphasen um die zwei Wochen länger als noch in den Fünfzigerjahren: Der Haselstrauch beginne um 15 Tage früher zu stäuben als 1951, der Herbst setze später ein.

"Temperaturen steigen übermäßig"

Wolfgang Sailer, Leiter des Instituts für Atmosphärische Umweltforschung des Klimaforschungszentrums Karlsruhe, erklärte im Standard-Gespräch: "Ohne die natürlichen Treibhausgase, die Wärme in den bodennahen Luftschichten halten, hätte es auf der Erde eine Jahresdurchschnittstemperatur von minus 18 statt plus 15 Grad. Die künstliche Erhöhung der Treibhausgase durch Schadstoffe lässt jedoch die Temperaturen übermäßig steigen." Würden die Klimaschutzvorgaben weiterhin nicht eingehalten, sei daher bis zur Jahrtausendwende "mit einem globalen Temperaturanstieg von bis zu sechs Grad" zu rechnen. Zum Vergleich: Der Unterschied zwischen der Warmzeit und der Eiszeit ist vier Grad.

50 Prozent des in den letzten 120 Jahren beobachteten Temperaturanstiegs passierte in den letzten 20 bis 30 Jahren. Auf den Kontinenten der nördlichen Hemisphäre sollen die Temperaturen in die Höhe schnellen: Klimamodelle für Süddeutschland und den Alpenraum hätten ergeben, dass hier schon binnen der nächsten 30 Jahre mit zwei Grad mehr in den Monaten Juni, Juli und August zu rechnen sei. Sommerliche Niederschläge gehen um 30 Prozent zurück, frühlingshafte oder herbstliche steigen um dasselbe Maß. Denn "im Sommer verschiebt sich das Azorenhoch nach Norden, und damit werden die Tiefdruckgebiete abgelenkt", erklärt Sailer. Im Winter hingegen vertiefe sich das Islandtief, und damit gelangen "mehr Niederschläge und höhere Windgeschwindigkeiten" nach Europa. Die Verschiebungen führen in hohen Lagen zu einer anderen Ausbildung von Lawinen und im Flachland zu Überschwemmungen, Stürmen, Hurrikans.

Den volkswirtschaftlichen Schaden von Naturkatastrophen bezifferte die Münchener Rückversicherung unlängst mit 60 Milliarden Euro allein im letzten Jahr. Eine Katastrophe sieht Sailer dennoch nicht: "Die Ökosysteme werden sich anpassen." In Zukunft etwa würde es Fichten, "das Haupt-Arbeitstier der Forstwirtschaft", in Mitteleuropa zu heiß werden. Eichen könnten eine Alternative sein – Palmen jedoch nicht. Denn im Winter sei weiterhin mit arktischen, kontinentalen Lufteinbrüchen rechnen. (Eva Stanzl, Der Standard, Printausgabe, 29.03.2004)