Wie sieht die "ideale" Zeitung aus? Eine Frage, die
Blattmacher bei ihrer täglichen Arbeit ständig begleitet. Alljährlich
zeichnet der "European Newspaper Award" vorbildlich gestaltete
Zeitungen aus, auf dem "European Newspaper Congress" diskutiert die
Branche Erfolg versprechende Ansätze. Heuer trifft man sich in Wien:
Veranstaltungsgründer Norbert Küpper skizzierte am Montagnachmittag
für das prominent besetzte Publikum die aktuellen Trends im
Zeitungsdesign. Im Vordergrund steht nach wie vor eine
ausdrucksstarke Bildsprache.
"Plakative Gestaltung" der ersten Seite
Die Herausforderung für Zeitungsmacher sei es, komplexe Inhalte
eingängig zu visualisieren. "Plakative Gestaltung" empfahl der
Experte für die erste Seite eines jeden Buches. Fotos tragen zu einer
Emotionalität bei, "die der Zeitung nur gut tun kann", so Küpper. Der
richtige Bildschnitt erlaube außerdem eine "Dynamisierung" einer
Seite. Leider sei kreative Visualisierung "in Skandinavien kein
Problem, im restlichen Europa schwierig". Intensive Zusammenarbeit
zwischen Text- und Bildredakteur sei hier das Um und Auf. Lobende
Worte für den Umgang mit Bildern fand Küpper aber auch zu
Österreichischen Beispielen, etwa zur "Kleinen Zeitung" oder der
"Furche".
Trend zu kleinen Einheiten
Weiterer Trend im Zeitungsdesign: Die Gliederung von großen
Artikeln in kleiner Einheiten - ebenfalls im Sinne der
Leserorientierung begrüßenswert, so Küpper. Ziel der Zeitung sollte
es außerdem sein, "sich für ein Thema zu entscheiden". Vor allem auf
den Aufmacherseiten sei die "Reduzierung auf das Wesentlicher sicher
sehr zu empfehlen". Viel Weißraum, also unbedruckte Fläche, zeichnen
Zeitungen für die gehobene Leserschicht aus - als Beispiel nannte
Küpper auch "Die Presse". Und schließlich solle die Zeitung von heute
nach einer "freundlichen, modernen Anmutung" streben. Wieder hatte er
dafür ein österreichisches Blatt parat. Die "Tiroler Tageszeitung"
sei "vorbildlich gestaltet", weil sie "die Tradition widerspiegelt"
und "optimal auf die Region abgestimmt" sei.
"Independent" präsentiert Doppelformat
Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag von Louis Jebb, Production
Editor des britischen "Independent". Die Qualitätszeitung erscheint
seit Ende September 2003 in zwei Formaten: Im großen "Broadsheet"
sowie neu im kleineren "Tabloid"-Format, das freilich noch um einiges
größer ist als die hier zu Lande gebräuchlichen Kleinformate. Die
Verkaufsauflage konnte damit um 15 Prozent gesteigert werden, der
"Independent" freut sich über den höchsten Marktanteil seit 1996.
Zeitungen aus aller Welt seien schon zu Besuch gewesen, um sich das
Konzept anzuschauen. Dieses heißt schlicht: Gleicher Inhalt, anderes
Format. Der redaktionelle Aufwand sei daher eher eine Frage der
Platzierung, so Jebb. Er betonte, dass man mit dem Schritt zum
Kleinformat auch "Vorurteile" gegen das Tabloid-Format abgebaut habe.
Dafür könnte aber der "Independent" in der großen Ausgabe früher als
erwartet ein Ende haben. Da schon über 70 Prozent der Zeitung als
kleine Version über den Ladentisch gehen, könnte das Unternehmen
früher als geplant eine endgültige Format-Entscheidung treffen, hieß
es vergangene Woche. (APA)