"An meinem 16. Geburtstag hat mein Vater ein vier Meter hohes Holzkreuz in unser Wohnzimmer gestellt" - und das, obwohl das Wohnzimmer nur zweieinhalb Meter hoch ist. Nüchtern und sachlich erzählt Michael über den skurrilen Selbstmord seines Vaters. Betont gelassen beschreibt er die Kreuzigung, lässt den Zuschauer dabei jedes noch so kleines Detail erleben und befindet abschließend: "Jesus hatte mehr Style."

"Schutt" von Dennis Kelly wird in Mono- und Dialogen des Geschwisterpaars Michelle (Alexandra Henkel) und Michael (Raphael von Bargen) gespielt. In ihren Erzählungen schlüpfen die Protagonisten auch in die Rollen der Personen, über die sie erzählen. Spielerisch erzählen Michelle und Michael von ihrer Kindheit, der Mutter, die bei Michelles Geburt gestorben ist, dem Vater, der vom Alkoholiker zum Sektenmitglied mutiert, von zwielichtigen Bekanntschaften und kindlicher Gutgläubigkeit.

"Sie nützen ihr Hobby, das Geschichtenerzählen, um ihre Existenz neu zu erkennen", meint Eva Maria Schwenkel (Dramaturgie) über den Überlebenswillen der beiden Figuren. Regisseurin Sandra Schüddekopf spricht von einem "Puzzle, das der Zuschauer zusammensetzen" und ständig hinterfragen muss, bliebe doch viel der Fantasie überlassen.

So etwa die imaginäre Figur Schutt: ein Baby, das Michael im Müll findet und auf das er all seine Hoffnungen projiziert. Die Frage nach Realität und Fiktion hat der Zuschauer selbst zu beantworten. "Schutt" gelingt es, schwere Sozialproblematik ohne Zeigefingermethode zu behandeln und nicht ins Lächerliche abzurutschen. "Was ich richtig toll finde", sagt Alexandra Henkel, "ist, dass man mit Fantasie seine eigene Wirklichkeit gestalten kann und so schreckliche Situationen überstehen kann."