Kein Zweifel herrscht an der Tatsache, dass die spanische Regierung unmittelbar nach den Terroranschlägen am 11. März versucht hat, massiv Einfluss auf die Berichterstattung zu üben. Wie es dazu kommen konnte und ob solche Vorfälle auch in Österreich denkbar wären, wurde am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) diskutiert. Konsens war, dass die Interventionen dem konservativen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar nichts genützt haben. Weiteres Fazit: Ohne private elektronische Medien wäre die Berichterstattung noch wesentlich einseitiger verlaufen.

"Es war die ETA"

Wenige Tage nach den Anschlägen - und dem Wahldebakel der konservativen Partei - veröffentlichten spanische Tageszeitungen eine Reihe von Vorwürfen, die Regierung habe versucht, die Berichterstattung über die Anschläge zu steuern. Aznar selbst griff zum Hörer und wies Chefredakteure an, in ihrer Berichterstattung die baskische Terrororganisation ETA als Urheber zu nennen. "Es war die ETA" titelten dann fast alle Zeitungen, sogar die alles andere als regierungsfreundliche Tageszeitung "El Pais" schloss sich in ihrer Sonderausgabe der Regierungsmeinung an. Was sich später als falsch herausstellen sollte.

Auf öffentliche Quellen angewiesen

Nicht wirklich Zensur oder Druck wurde hier ausgeübt, so die Einschätzung von Erhard Stackl, Chef vom Dienst im STANDARD. In einer "nationalen Krisensituation" habe der Staatschef "mit aller Autorität" Informationen geliefert. Natürlich stelle sich aber die Frage "was man glauben kann und was nicht". "In solchen Situationen ist man auf diese öffentlichen Quellen angewiesen", gab "Kurier"-Außenpolitik-Redakteur Konrad Kramar zu bedenken, der am 11. März in Spanien war. Die "übliche Gesprächsbasis" zur Diplomatie habe es in dieser Ausnahmesituation schlicht nicht mehr gegeben. Zum anderen würden Medien unter permanentem Zeitdruck leiden.

"Keine Fragen, keine Antworten"

Aznars Umgang mit den Medien sei schon früher kritisiert worden, berichtete die ORF-Journalistin Rosa Euler-Rolle. "Keine Fragen, keine Antworten", so seien Pressekonferenzen abgelaufen. Organisationen wie die Vereinigung der Demokratischen Intervention hatten vor Manipulation der spanischen Medien gewarnt. Die staatliche Nachrichtenagentur EFE bekam in Vorwahlzeiten massiven Druck zu spüren, berichtete Juan Carlos Barrena, Leiter des Wiener EFE-Büros. Die Kollegen hätten "vieles durchgebracht", aber auch "vieles zensiert bekommen". Und das staatliche Fernsehen "hat in einem Ausmaß an Einseitigkeit zugenommen, das ist atemberaubend", berichtete Kramar.

Wichtige Rolle der privaten elektronischen Medien

Erste Meldungen über die Spuren zu islamistischen Terrorgruppen kamen denn auch in einem Privatradio. Über spontane Demonstrationen gegen die Regierung am Vorabend der Wahl konnte man sich nur im Privat-TV, nicht aber im staatlichen Fernsehen informieren. Was die Diskussionsteilnehmer zur Frage führte: Wie würde der Informationsfluss in Österreich verlaufen?

Die Antwort fiel ernüchternd aus: Wohl kaum ein Privatsender hätte das redaktionelle Potenzial, um der Berichterstattung des ORF Paroli bieten zu können. Die Möglichkeit, auf den Öffentlich-Rechtlichen Druck auszuüben, sei im Ernstfall aber gegeben. Ebenso wie auf die Zeitungsredaktionen: Immerhin empfingen die meisten Qualitätsblätter - staatliche - Presseförderung.

"Misstrauen" als Gegenmittel

"Strukturelles Misstrauen von Journalisten gegenüber Misstrauen" als probates Gegenmittel empfahl daher Engelbert Washietl (IQ, "WirtschaftsBlatt"). Und Kramar verwies darauf, wie wichtig gut dotierte Redaktionen für journalistische Qualität sei. "Es braucht viele und gute Leute, um eine gute Zeitung zu machen." (APA)