Hat sich generell die Einstellung des Menschen zum Haustier geändert?

Keine Frage. Tiere sind heutzutage Familienmitglieder und werden daher entsprechend umsorgt. Außerdem haben sie wichtige soziale Funktionen. Sie helfen – besonders in der Stadt – vereinsamten Menschen. Tiere sind für Kinder Vertrauenspersonen, denen sie erzählen, was sie ihren Eltern nicht sagen würden, Tiere werden in der Therapie eingesetzt, weil sie unter anderem Stress abbauen, den Blutdruck senken und das Immunsystem stärken. Immerhin wird ja auch bereits in der Politik über Tiere als Mitgeschöpfe diskutiert. Manche Menschen geben für die Gesundheit ihrer Tiere mehr Geld aus als für sich selbst.

Ist das nicht ein wenig übertrieben?

Keineswegs. Niemand würde sich darüber aufregen, dass für Autos Zehntausende Euros bezahlt werden. Dabei ist so ein Vehikel kein Lebewesen, das in unserer Gesellschaft eine soziale Funktion erfüllt. Für viele Menschen ist es nur das Haustier, das sie am Leben erhält.

Wenn man den Aufwand betrachtet, mit dem heutzutage in Industriestaaten Haustiere medizinisch betreut werden, hat man da als Veterinär angesichts der ärztlichen Unterversorgung für Menschen in anderen Ländern nicht ein schlechtes Gewissen?

Ich denke über dieses Thema oft nach und bin zum Schluss gekommen, kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich bin nämlich überzeugt, dass kein einziger Cent, den wir zum Beispiel bei Verzicht auf einen Magnetresonanztomographen für unsere vierbeinigen Patienten einsparen, den Menschen in der Dritten Welt zugute kommen würde. Ich sehe aber einen weiteren Aspekt: All die modernen Hightechgeräte, die zur medizinischen Betreuung von Menschen heute eingesetzt werden, wurden mit Hilfe von Versuchstieren entwickelt. Daher ist es gerecht, wenn nun auch unseren Helfern damit geholfen wird, da schließt sich der Kreis. (hi!tech, Ausgabe 1/2004)