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foto: apa/eggenberger
Der Kärntner Ausschlag, an dessen rötlichblauen Pusteln die SPÖ wohl noch einige Zeit herumkratzen wird, nahm zuletzt die Aufmerksamkeit einer leicht angeekelten Öffentlichkeit so stark in Anspruch, dass der Vorschlag seines Erregers, das Leiden zu einer nationalsozialen Pandemie zu erweitern, bisher kaum beachtet wurde. Nur um einen solchen und kaum um eine politologische Tatsachenfeststellung konnte es sich handeln, als Jörg Haider neulich in Anbiederungslaune verkündete, es gebe nun zwei soziale Parteien, die FPÖ und die SPÖ. Im Rausch seines Blitzsieges am Verhandlungstisch über eine kollaborationssüchtige und unterwerfungsbereite Landespartei kündigte er damit wieder einmal einen Aufbruch zu bisher unerreichbaren Ufern an unter dem Motto: Denn heute gehört uns Kärnten, und morgen die Republik. "Uns" soll diesmal bedeuten: Warum nicht Rot-Blau?

Wie man es seit langem gewohnt ist, hält er sich dabei – bestärkt von den Kärntner Verhältnissen – an die Maxime, Glaubwürdigkeit ist keine Frage der Redlichkeit, sondern der Frechheit. Warum nicht? Wer eine Pensionsreform wie die letzte austüftelt und mit beschließt, ihre Folgen vernebelt, indem er Almosen in die Wahlschlacht wirft und damit durchkommt – warum sollte der Hemmungen haben, sich taxfrei zum Sozialapostel zu ernennen?

Eben deshalb ist daran zu erinnern: Die FPÖ war nie eine soziale Partei. Im Populismus, mit dem Haider die FPÖ einmal bis auf 27 Prozent gebracht hat, haben ernst zu nehmende sozialpolitische Konzepte zum Wohl des viel strapazierten "kleinen Mannes" nie eine Rolle gespielt. Stattdessen sollte das Anprangern von "Bonzentum" und Privilegien aus der Opposition heraus qualifiziertes soziales Engagement vortäuschen und besagtem kleinen Mann Ersatzbefriedigung und die Möglichkeit der Abreaktion bieten. Bonzen und Privilegien wurden auch immer nur auf einer Seite ausfindig gemacht; das soziale Gewissen der FPÖ stand einer Wendekoalition mit der ÖVP samt all ihren unsozialen Folgen nie im Wege.

Nach dem 7. März hält Haider die Zeit für gekommen, sich vom Koalitionspartner ein wenig abzusetzen und sich nach neuen Möglichkeiten umzusehen, für den Fall, das Wendeexperiment könnte in absehbarer Zeit schief gehen. Was bietet sich da besser an, als in einseitiger Vorwegnahme eines rot-blauen Bundes einmal mit dem Flechten eines zarten sozialen Bandes zu beginnen und eine Gemeinsamkeit zu insinuieren, die bisher noch niemandem aufgefallen ist! Vielleicht bringt das Spielen auf der Sozialschalmei ja auch die Wähler zurück, die die FPÖ in den Jahren der schwarz-blauen Koalition scharenweise verloren hat, mag eine zusätzliche Hoffnung sein.

Die Gefahr, Haider könnte in der neuen Rolle, die er sich da anmaßen möchte, ernst genommen werden, ist nicht allzu groß. Wolfgang Schüssel dürfte kaum erzittern, wenn ein sozial schwadronierender Koalitionspartner ihn als unsozial ausgrenzen möchte. Er ist – Haider hin, Haider her – entschlossen, seinen Kurs fortzusetzen. Um ihn zu beeindrucken, müsste der Kärntner Landeshauptmann schon auf größere Erfolge verweisen können als auf das Halten seiner Position in Kärnten und auf einen nächtlichen Pakt bei süffigem Roten mit süffelnden Roten. Überall anders wurde die FPÖ in der letzten Zeit deutlich geschwächt bis halbiert – nicht gerade ein Zeichen dafür, dass die Wähler bei ihr soziales Engagement erkannten, das sie honorieren möchten.

Schon deshalb kann die SPÖ keinerlei Interesse daran haben, sich den Ruf, eine soziale Partei zu sein, mit der Haider-FPÖ zu teilen. Weder aus taktischen Gründen – schließlich will sie auch weiterhin Wähler von dort zurückholen. Und aus prinzipiellen Erwägungen schon gar nicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.3.2004)