Von der Uni Wien aus begann das Internet vor 15 Jahren Österreich zu erobern. Gründervater Peter Rastl leitet heute ebendort den Zentralen Informationsdienst (ZID). Mit Heidi Weinhäupl sprach er über Freiheit an der Universität, und wie die Wirtschaft davon profitiert.

Standard: Vor 15 Jahren wurden die ersten Internetleitungen in Österreich gelegt, 1990 dann der erste österreichische Rechner ans Internet angeschlossen. Warum so früh - und warum an der Uni Wien?

Peter Rastl: Wir hatten schon vorher mit dem Internetprotokoll experimentiert. Wie das eben so an Unis ist - man probiert alles einmal aus. Ende der 80er-Jahre hat IBM dann 19 Forschungsstätten in Europa - zum Beispiel das Kernforschungszentrum CERN in Genf - ausgewählt, mit Supercomputern ausgestattet und vernetzt. Wir haben uns auch beworben, mehr aus sportlichen Gründen - und tatsächlich einen IBM-Vektorrechner bekommen. 1989 haben wir damit begonnen, eine Datenleitung mit 64 kBit pro Sekunde von hier zum CERN zu legen. Heute lacht man darüber, aber das war damals eine wirkliche Breitbandleitung. Vom CERN weg finanzierte IBM das erste transatlantische Glasfaserkabel in die USA, zum weltweiten Internet - mit sagenhaften 1,5 Megabit pro Sekunde. Bis Mitte 1998 hat der Informatikdienst der Uni Wien dann alle österreichischen Internetadressen verwaltet - anfangs unentgeltlich und ohne ausgefeilte Software. Später haben wir das Kommerzielle dann abgegeben.

STANDARD: Warum? Könnte sich die Uni Wien heute nicht eine goldene Nase als Internetprovider verdienen?

Rastl: Teilweise wäre eine kommerzielle Nutzung schon reizvoll gewesen. Aber ich sehe das nicht als Rolle der Universität. Es besteht immer die Gefahr, dass das Geldverdienen Übergewicht bekommt gegenüber dem Entwickeln der Innovationen. Die Uni ist ein hervorragender Nährboden für Neues, weil man nicht gleich mit der Keule des kommerziellen Misserfolgs erschlagen wird, wenn man sich irgendwo verrennt. Umgekehrt profitiert die Wirtschaft von dieser Freiheit, wie etwa auch die Internetszene in Österreich von unseren Initiativen profitiert hat.

STANDARD: Wodurch beispielsweise?

Rastl: Wir haben uns damals mit den osteuropäischen Unis vernetzt - dadurch wurde Wien zur Datendrehscheibe für die Verbindung nach Mittel- und Osteuropa. So bekam Wien auch einen europäiischen Netzknoten des Europa-Providers Ebone - und das war eine wichtige Starthilfe für das Internet in Österreich. Denn Provider müssen eine Datenleitung zum nächsten Netzknoten errichten - und wenn der in Amsterdam liegt, kommt das deutlich teurer als innerhalb Wiens. Eine andere Initiative von uns war es, einen Schaltknoten zum Datenaustausch für kommerzielle Internetprovider in Wien zu errichten, den Vienna Internet Exchange. Der VIX ist heute einer der prominenten europäischen Internet-Exchanges.

STANDARD: In welchen Bereichen wird am Informatikzentrum der Uni Wien derzeit geforscht?

Rastl: Beispielsweise zu IPv6, der nächsten Generation des Internet. Da gibt es neue Produkte, und die müssen mal ausprobiert werden - nicht nur im Labor, sondern im realen Betrieb. Wir nehmen am EU-Projekt 6net teil, wo international ein IPv6-Netz betrieben wird. Ein anderes Thema ist die Internettelefonie. Die Uni Wien hat in Zusammenarbeit mit Nic.at das Projekt at43 ins Leben gerufen. Uni-Mitarbeiter und Studenten können nun über Internet gratis telefonieren. Ein zunehmendes Problem im Internet ist das große Aufkommen von Spams, also von unerwünschten E-Mails. Wir entwickeln unsere eigenen Spamfilter. Unter anderem setzen wir Spamfallen ein, also Mail- adressen, die Massenmails anziehen. Damit wissen die Filter, was sicher ein Spam ist. Das können wir immer auch gleich testen - mit experimentierfreudigen Uni-Leuten und Studenten.

STANDARD: Quasi im Freiluftlabor?

Rastl : Klar - die Uni Wien hat mit über 60 Standorten und rund 70.000 Mitarbeitern bzw. Studierenden eine formidable Größe, da lernt man viel von der praktischen Betriebssituation. Außerdem betreibt der ZID das österreichische Wissenschaftsnetz ACOnet und die anderen Unis mit der internationalen Internetverbindung. Wir bieten die Infrastruktur für die Forschung - der Schrödinger-Computer, der leistungsfähigste Rechner in Österreich, ist ein Teil davon. Wir verlegen Leitungen, installieren lokale Netzwerke oder Funknetze in den Gebäuden, zähmen Router und Firewalls: Das ist ein weites Feld. (DER STANDARD, Print, 22.03.2004)