Und oben rattert die Bim: Die Albertinapassage wurde zum Dinnerclub mit Live-Jazz. Von der Anmutung sehr glitzy - doch die Küche zeigt vereinzelt noch Schwächen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Steaks wirken noch etwas lasch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer des nächtens an der Ecke Opernring/Operngasse in den Untergrund absteigt, landet in einem mächtigen, schummrigen Lokal, in dem Livejazz gespielt, Eiskübel und Tabletts voller Champagnergläser durch die Gegend getragen werden und es nach gegrillten Steaks und ein wenig schwül nach den Parfums der Gäste duftet. Smooth! Deutlich lauter als die Musik ist das Rattern der Straßenbahn, das daran erinnert, dass man sich nicht etwa im Bauch einer Yacht oder pulsierenden Großstadt befindet, sondern eh nur unterhalb des Wiener Opernrings. Hat aber auch was!

Anderseits kann man sich das Geratter durchaus als jenes einer Metro in einer fremden Stadt zurechtfantasieren - schon wähnt man sich in einem Club, irgendwo zwischen New York und Novosibirsk, was zumindest geografisch nicht verkehrt ist. Auch die Musiker, die die Betreiber von Sunshine (Passage, Superfly FM ...) gebucht haben, müssen keinen Vergleich scheuen. Das ist Dinner-Jazz, der auf sehr angenehme Weise swingt!

Cool gelackt

Das Interieur gibt sich cool gelackt, aber auch spielerisch, mit 3-D-Effekten, die die Wände wie mit riesigen Kopfsteinen gepflastert erscheinen lassen. In Verbindung mit dem blau-rosa Lichtdesign gemahnt das an Szenerien, wie man sie aus Graphic Novels und Comic-Verfilmungen zu kennen meint. Jeden Moment, so scheint es, wird Jessica Rabbit ihren Auftritt haben.

Einstweilen mögen sich die meisten Gäste noch zum Sehen und Gesehenwerden hier drängen (merke: nur die Kellner tragen Krawatte). Man kann sich und den mutigen Betreibern nur wünschen, dass die knapp 300 Sitzplätze in Zukunft auch der Musik wegen gefüllt werden. Der Stadt würde eine funktionierende Adresse dieses Zuschnitts guttun. Verbesserungsfähig ist die Beleuchtung: Einstweilen sieht man in dem farbigen Licht reichlich blass aus, dafür leuchten die auf die Tische gerichteten Spots jeden Fingertapser auf Tellern und Besteck wie unterm Elektronenmikroskop aus.

Erwachsenes Essen

Die Drinks sind jetzt schon mehr als beachtlich, auch die Küche unter Ex-Gerer-Souschef Alexander Kumptner schlägt sich über weite Strecken wacker. Immerhin geht es hier nicht um abgestandene Massenmenüs à la Palazzo, sondern um richtig erwachsenes Essen, das einem verwöhnten Publikum zur kulinarischen Unterhaltung gereichen soll - bei 300 Gästen eine echte Herausforderung.

Die Karte ist angenehm klein und setzt sich aus Gerer-Klassikern wie Vitello Tonnato mit rohem Thun oder Kalbsbackerln mit Polenta (auf wunderbar gallertige Art saftig und zart!) zusammen. Dass die gekonnt abgeschmeckte Hummersuppe mit einer Einlage serviert wird, die aus Flummi geschnitzt zu sein scheint, ist wohl dem Extrastress der ersten Tage geschuldet. Dasselbe gilt für die leider noch etwas laschen Steaks, die wirken, als ob sie in der Warmhaltesauna vergessen wurden.

Airport-Aquarien

Viel besser und auf klassische Gerer-Manier kombiniert: der Zander (wirklich vom Neusiedler See?) auf hoch würzigem Ochsenschleppragout. Nur bei den Desserts, speziell der Schokotorte, die auf einem mit breiter Bremsspur recht unglücklich dekorierten Teller serviert wird, kommt Palazzo-Stimmung auf.

Neben einer Raucherbar beim Klo, die nicht nur deshalb, sondern auch ob der Luftqualität an die gewissen Airport-Aquarien erinnert, gibt es auch eine richtig noble Zigarrenlounge. Die ist nur durch eine kleine, verschlossene Tür zugänglich, wirkt wie ein hochexklusives Speakeasy und ist den echt tollen Gästen vorbehalten: Jenen nämlich, die eine Mitgliedschaft angeboten bekommen und auch bereit sind, sich das eine sehr runde Summe kosten zu lassen. Das Geld, so die Sunshiner, wird karitativen Zwecken gespendet. In diesem Sinne: Trinkt und tut Gutes! (Severin Corti/Der Standard/rondo/23/12/2011)