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Man ist, was man isst - und man wird, was man liest.

Foto: Tom Grill/Corbis

Man ist, was man isst - und man wird, was man liest. Insofern kann man sich durchaus Sorgen machen, wenn man sich den Bücherstapel auf dem Schreibtisch des Dichterfürsten näher anschaut. Die Rede ist nicht von halbwegs aktuellen Arbeiten verfreundeter Kollegen. Diese müssen dort im Falle eines unerwarteten Besuchs des betreffenden schreiberischen Niederadels unter dem Motto "Schau, ich hab es mir schon zurechtgelegt, gleich morgen fange ich mit deinem Büchel an" pflichtschuldig kostbaren Arbeitsplatz verliegen. Wer den Dichterfürsten kennt, weiß, dass das Herunterreißen der Verschweißung der intensivste Kontakt mit lokaler Konkurrenz ist, zu dem er fähig ist, ohne sich in sieben von zehn Fällen fremdzuschämen. Im Gegensatz zum Essen kann man sich Freunde allerdings selten aussuchen, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird.

Es geht eher um jene Werke unbekannter Autoren aus ferneren Weltgegenden, die sich dort über Monate anhäufen und plötzlich vulgärpsychologischen Sinn ergeben: "Nichts -Was im Leben wichtig ist", "Exit Mundi - Die besten Weltuntergänge der Welt", "Die Untoten und die Philosophie", "The Drinking Man's Diet", "Die Kunst zu beleidigen". Das ergibt nicht nur ein interessantes, über jeweils mehrere Monate entstehendes und schließlich in den Tiefen der Bücherregale entsorgtes Persönlichkeitsprofil. Da es sich bei den letzten beiden Titeln um Geschenke der Frau handelt, kann man davon ausgehen, dass die Meinung, die man von sich selbst hat, durchaus eine gewisse Außenwirkung zeitigt. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 09.12.2011)