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Carine Roitfeld: "Irreverent", gemeinsam mit Olivier Zahm, Cathy Horyn und Alex Wiederin, Rizzoli, 368 Seiten. € 65,90.

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DER STANDARD: Gerade ist das 400-seitige Buch "Irreverent" mit einem Rückblick auf Ihre Karriere in der Mode erschienen. Bedeutet dies, dass Sie sich zur Ruhe setzen?

Carine Roitfeld: Von Ruhestand kann nicht die Rede sein. Aber natürlich war mein Rücktritt bei der Vogue der geeignete Zeitpunkt, dieses Buch zu publizieren. Es schließt ein wichtiges Kapitel in meinem Leben und gibt mir persönlich Raum, ein neues zu öffnen.

DER STANDARD: Ist dieses Buch erst durch Ihren Rücktritt vom Chefposten bei der "Vogue" möglich geworden?

Roitfeld: Die Planungen begannen schon vor über zwei Jahren. Da war ich noch bei der Vogue. Ich muss leider zugeben, mein persönliches Archiv lange Zeit vernachlässigt zu haben. Darum war es sehr schwer, all das Material zusammenzutragen. Ich habe tagelang in Kisten gewühlt. Der Rücktritt bei der Vogue vor einem Jahr fiel schon fast in die Schlussphase des Buchs und hat es daher kaum noch verändert.

DER STANDARD: Man sieht neben den bekannten Bildern, die Sie als moderne Power-Lady zeigen, erstmals sehr private Momente, etwa von Ihrer Familie in den Ferien.

Roitfeld: Ich habe nie zwischen meiner privaten Zeit und der Arbeit getrennt. Ich bin seit 30 Jahren mit demselben Mann liiert, wir haben zwei erwachsene Kinder, auf die ich sehr stolz bin. Das ist ein wichtiger Teil von mir, den ich nie ausgeblendet habe, der aber vielleicht nicht immer alle so interessiert hat wie meine Rolle als Vogue-Chefin.

DER STANDARD: Sind Sie zufrieden mit dem, was aus der "Vogue" geworden ist, die Sie zehn Jahre lang mit Ihrer Handschrift geprägt haben?

Roitfeld: Die französische Vogue war damals, als ich dort anfing, ein sehr anderes Heft. Es hatte zwar diesen prestigeträchtigen Namen, aber es waren kaum gute Fotografen an Bord. Es brauchte einige Zeit, bis sie das Vertrauen in den Titel wieder hatten. Ich hatte großes Glück, dass Eigentümer Jonathan Newhouse und das Mutterhaus Condé Nast die Geduld hatten, diesen Weg zu gehen, und mir diese Freiheit gaben. Das jetzige Team hat also das beste Kapital, um weiterhin ein gutes Magazin zu machen.

DER STANDARD: Nach welcher Maxime sind Sie vorgegangen, wenn Sie für die "Vogue" Modestrecken inszeniert haben, etwa mit Ihrem Weggefährten Mario Testino?

Roitfeld: Mich hat immer die Frau interessiert, nicht die Mode, die es zu zeigen galt. Es war mir immer ein Anliegen, in meinen Bildern Geschichten zu erzählen, die von Persönlichkeiten handeln. Erst dann kam die Kleidung dazu.

DER STANDARD: Wie hat sich denn die Mode in der Zeit verändert, die Sie überblicken?

Roitfeld: Die Mode ist mehr denn je ein Geschäft geworden. Und das macht alles viel anspruchsvoller. Der New Yorker Designer Alexander Wang ist das beste Beispiel für das, was es heute braucht: Kreativität und Geschäftssinn. Er hat beides und darum viel Erfolg. Wer heute in die Mode einsteigt, muss sich bewusst sein: Talent und gute Ideen reichen nicht mehr aus, es braucht auch eine starke Ader fürs Business. Man muss diese Dinge genauso gründlich lernen wie das Handwerk, das der Mode zugrunde liegt.

DER STANDARD: Geht es in der Mode denn noch um Kleidung oder nur noch um Handtaschen?

Roitfeld: Das Phänomen der Designerhandtasche ist ein Riesenthema, aber auch noch relativ neu. Man kann Handtaschen oder Sonnenbrillen heute leichter verkaufen als Kleidung. Handtaschen sind ein vergleichsweise günstiges und sehr gut sichtbares "Eintrittsticket" in die Welt der Marken.

DER STANDARD: Von Ihnen weiß man, dass Sie keine Handtaschen mögen ...

Roitfeld: Ich persönlich mag wirklich nicht so gerne Handtaschen. Ich stecke meine Hände lieber in die Hosen- oder Jackentaschen.

DER STANDARD: Ist es das, was Sie mit dem Titel Ihres Buches aussagen wollen - "Irreverent" - also Furcht- und Respektlosigkeit, auch gegenüber dem System und den mächtigen Marken der Mode?

Roitfeld: Ich war nie eine politisch korrekte Person. Ich habe durchaus auch einmal mit Lust provoziert und mir nie besonders Mühe gegeben, allen zu gefallen. Dennoch habe ich immer versucht, chic zu bleiben, nicht in Vulgarität abzurutschen. Das ist ein schmaler Grat.

DER STANDARD: Es gibt eine Menge Spekulationen darüber, was Carine Roitfeld als Nächstes anpacken wird.

Roitfeld: Ich habe jetzt Zeit für neue Dinge und arbeite jetzt unter eigenem Namen: Ich selbst bin die Marke, nicht mehr die Vogue. Und ich habe noch viele Dinge zu sagen. Mich interessieren auch die Möglichkeiten der neuen Medien. Ich will neue Verbindungen zu meinen Lesern aufbauen. Das kann auch digital sein, aber es müsste auf einem hohen ästhetischen Niveau sein. Momentan arbeite ich mit Karl Lagerfeld an verschiedenen Projekten bei Chanel und auch mit Riccardo Tisci - wir haben eine besondere Beziehung, so, wie ich damals mit Tom Ford gearbeitet habe. Zudem arbeite ich auch an einigen Magazinen, die mich als Gast-Kuratorin eingeladen haben. (Jeroen van Rooijen/Der Standard/rondo/11/11/2011)