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Rühren, nicht rudern! Espresso, dieser mit allerhöchster Sorgfalt gefertigte Schluck Lebenskraft, sollte nur mittels dünnstieligem Löfferl mit extrem kurzer Laffe gerührt werden - ansonsten könnte die Crema leiden.

Foto: Bettmann/Corbis

Es wird auf alles achtgegeben. Die bei Neumond von Schleichkatzendarm verstoffwechselten Kaffeebohnen wurden bei Vollmond aufgesammelt und in schwedischer Mitternachtssonne langsam getrocknet. Die mit galaktischem Gesteinsstaub überzogenen Keramikkegel der Mühle mahlen auf das Milligramm genau die zuvor leicht antemperierten Bohnen. Das Mahlgut wird mit einem Löfferl in das Sieb gehievt, welches aus einer inerten Zukunftsmetalllegierung gepresst wurde.

Das Espresso-Glas (wer verwendet schon Tassen?), ein Designerstück von Faema aus den 60er-Jahren und in jener kleinen Bar im Vorort von Neapel gestibitzt, wurde natürlich vorgeheizt. Der Druck in der verchromten E61-Brühgruppen-Maschine hat ausreichend Höhe erreicht. Das Vorbrühen, ein leichtes Anfeuchten des Mahlguts mit nur 4 Bar, garantiert ein Aufquellen zwecks besserer Aromenextraktion. Getrieben von acht bis neun Bar träufeln nun zwei dünne Fäden schokoladebrauner Kaffeemelasse in das dickwandige Glas.

Breiter Konsens

Ein einzigartiger Duft steigt auf, Kenner sprechen von Marzipan-Fichtenharz-Anklängen, und der Espresso besteht fast ausschließlich aus feinster Crema, deren Farbchangierungen Ergebnis heftigster Extraktion sind. Bis zu diesem Punkt sind sich Espressotrinker einig, hier besteht breiter Konsens.

Wirklich bitter nur, dass sich selbst solche geeks als nerds outen, wenn sie dann zu irgendeinem beliebigen Kaffeelöfferl greifen, um den Zucker beim Zuckern durch kreisende Bewegungen zu unterstützen. Das geht gar nicht - hier wird offenbar, wer sich wirklich auskennt. Denn das perfekte Espressolöfferl ist rar.

Das perfekte Löfferl

Nur allzu oft trifft man auf breitstielige, klobige Umrührbehelfe, bar jeder Eleganz und plump im Versuch, den Zucker zu lösen. Das perfekte Löfferl hat den dünnst möglichen Stiel und eine sehr kurze Laffe. Der dünne Stiel liegt elegant zwischen den Fingern und gleitet durch die Crema, als ob er nicht existierte. Dies unterscheidet ihn von den Grobianen, die beim Umrühren ein Berserkertum sondergleichen in der Tasse aufführen und die Crema zerschlagen, verrühren und das genuine Muster der heller werdenden Farbringe vernichten.

Das perfekte Löfferl hingegen lässt den Espresso nach dem Umrühren aussehen wie vor dem Umrühren und sorgt damit für den optisch wie olfaktorisch höchsten Genuss. Wer nicht zuckert, muss auf diese Klugscheißerei natürlich verzichten. Man kann nicht alles haben im Leben. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/13/05/2011)