Langsam entwickelt sich der Garten. Platsch, da rollt der Rasen drüber.

Foto: Gregor Fauma

Wer gerne einmal nach Indien fährt, und, ganz unter uns, wer tut das nicht, informiert sich zuvor: über die lokalen Helden, die Gepflogenheiten der Gesellschaft und die Möglichkeiten, Durchfall-exzessen zu entgehen. Der Schauspieler Shah Rukh Khan, stets frisch gebügelte Hemden und Verzicht auf Fleisch könnten, in dieser Reihenfolge, die Ergebnisse dieser Nachforschungen sein.

Wer sich dann noch in eine indische Tageszeitung vertieft, wird feststellen, dass dort seitenweise über Inserate Bräute und Bräutigame gesucht und auch inseriert werden. In Indien übernehmen liebenswerterweise die Eltern die Auswahl des jeweiligen Partners; praktisch, so kann man ihnen später den schwarzen Peter einer unglücklichen Beziehung zuschieben.

Ineinander-Verlieben

Braut und Bräutigam lernen einander in der Regel erst einen Tag vor oder direkt am Hochzeitstag selbst kennen. Da bleibt nicht viel Zeit für Beziehungsarbeit, das Ineinander-Verlieben kommt ein wenig kurz - kann aber noch kommen. Ganz anders ist jedoch die hiesige Anbahnung zwischen Gartler und seinen Pflanzen. Wer, sagen wir bei Bakker, einen schwarzen Seidenbaum, Albizia julibriss, in "Summer Chocolate" gekauft hat, erhält für 25,50 Euro netto einen 15 Zentimeter langen Zwirn mit Blatt, der in einer Handvoll Erde steckt. So kann eine Beziehung, ein zärtlicher Flirt beginnen und eventuell zu einer Liebeshochzeit führen.

Intensive Fürsorge

Der Gartler und sein Pflänzchen können durch intensive Fürsorge, liebevolle Bewässerung und gegenseitige Düngergaben langsam und immer enger zusammenwachsen, und womöglich wird, nach vielen Jahren innigster Harmonie, aus der Amour fou eine solide Beziehung zwischen Baum und Mensch, der selbst der Dorfpfarrer seinen Segen gibt und wo der Bürgermeister zur diamantenen Hochzeit gratulieren kommt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, irgendwann bin auch ich dran, aber zuvor möchte ich den mächtigen, grobrindigen Albiziastamm zumindest noch umarmen und mich, in seinem mächtigen Schatten liegend, von jahrzehntelanger Gartenarbeit ausruhen können. Da mögen sich die Inder etwas abschauen, arranged marriage hat in meinem Garten keinen Platz, ha!

Diese Braut ist mir zu schön

Dies ist jetzt leider gelogen, denn in meinem Garten habe nicht nur ich etwas zu sagen. Diese Fahrlässigkeit manifestiert sich in seltsamen Beeten, vertrockneten Kräutern und konzeptlosen Einkäufen. Aber es geht noch schlimmer. Seit Tagen zieren einige Quadratmeter Rollrasen unseren Nord- wie auch unseren Südgarten. Fettes Grün, gesundes Blatt, dichter Wuchs - aber diese Braut ist mir zu schön. Diese Braut konnte ich nicht beschnuppern, diese Braut hat mir nie ihr vorsichtiges Interesse signalisiert, diese Braut hat mir nie zu verstehen gegeben, dass ich der Richtige für sie wäre.

Jetzt liegt sie da, bittet mich täglich um zweimalige Benetzung und, wenn geht, keine Benutzung. Für Zwölffuffzich den Quadratmeter macht sie mir das Grün. Ist das nicht schäbig? Nichts, gar nichts ist so falsch, mir so zwider und überhaupt der Art fehl am Platz wie ein Rollrasen in einem langsam sich entwickelnden Garten. Ich glaube nun zu wissen, wie sich für manchen Inder eine arrangierte Hochzeit anfühlt. Oh oh. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/29/04/2011)