Der Brief aus dem Frantzén/ Lindeberg in Stockholm und die Kopie aus dem Taubenkobel in Schützen am Gebirge.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ein Hinweis auf den Quell der Inspiration fehlt völlig.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Frantzén/Lindeberg ist ein Restaurant im Herzen von Stockholm. Die Küchenchefs, nach denen das Lokal benannt ist, haben mit einer für Luxusrestaurants neuartigen Idee zwei Michelin-Sterne erkocht: Es gibt keine Speisekarte, dafür wird den Gästen zu Beginn des Abends ein mit silberfarbenem Wachs versiegelter Brief überreicht. Statt einer festgeschriebenen Speisenfolge lässt sich die Küche von jenen Zutaten inspirieren, die gerade am jeweiligen Tag in besonderer Qualität und Frische, oft nur in sehr begrenzter Menge, erhältlich sind. Ein Zitat aus dem Brief: Tonight's menu is the result of intense and daily discussions with farmers, fishermen, breeders and wine makers so that they will understand that only the best ist good enough for us.

Zum Gruß aus der Küche, der aus einer salzigen Makrone und einem knusprigen, gefüllten Gemüsechip besteht, wird etwas ungebackener Brotteig gebracht. Er soll in Gesellschaft der Gäste noch "ein letztes Mal gehen", bevor er vom Service abgeholt und, frisch und knusprig gebacken, wieder zu Tisch darf. Ein besonders spektakuläres Gericht beinhaltet einen blankpolierten Knochen, der mittels einer eingearbeiteten Metallplatte zum Behältnis wird und mit klein gewürfeltem Mark gefüllt ist.

Der Taubenkobel im burgenländischen Schützen hat seit der Wiedereröffnung nach der Winterpause ein neuartiges Konzept: Es gibt keine Speisekarte, stattdessen wird den Gästen zu Beginn des Abends ein mit silberfarbenem Wachs versiegelter Brief überreicht. Ein Zitat aus dem Brief: Das heutige Menü ist das Ergebnis intensiver Diskussionen und Auseinandersetzungen mit Bauern, Fischern, Züchtern und Winzern unseres Vertrauens.

Zahllose Details

Zum Gruß aus der Küche, der aus einer salzigen Makrone und einem gefüllten Gemüsechip besteht, wird ungebackener Brotteig zu Tisch gebracht. Den Rest kann man sich ausmalen. Zahllose Details von Form und Art der Butter bis zur Präsentation mancher Gerichte folgen dem Vorbild aus Stockholm geradezu peinlich genau. Dass ein Gericht einen blankpolierten Knochen beinhaltet, der mittels einer eingearbeiteten Metallplatte zum Behältnis wird und klein gewürfeltes Mark enthält (siehe Bild), kann da nicht mehr überraschen.

Nun ist von Herzen zu begrüßen, dass zumindest einige unserer Köche über den Tellerrand schauen und sich von internationalen Entwicklungen inspirieren lassen. Skandinavien ist (nicht zufällig im Unterschied zu Österreich) schon seit Jahren auf dem Radar weltläufiger Gourmets. Wenn die Inspiration, wie im Fall des Taubenkobel, allerdings gefährlich nahe am Plagiat entlangschrammt, dann sollte man sich post Guttenberg zumindest eine Quellenangabe erwarten dürfen - und sei es als Fußnote am Ende des Briefes. Eselböck hingegen erwähnt das Frantzén/Lindeberg mit keiner Silbe, nicht einmal auf konkrete Nachfrage.

Das Essen selbst läuft auf sehr solidem Niveau ab. Was auffällt, ist die Diskrepanz im Würzgrad der Gerichte. Manches ist äußerst zurückhaltend abgeschmeckt, bei anderen Gerichten werden die Aromen der Produkte durch ziemlich herzhafte Behandlung ergänzt. Das kann ein Ausdruck dessen sein, dass mit Alain Weissgerber nunmehr offiziell noch ein zweiter Küchenchef zugange ist.

Im November im Salzburger Ikarus

Roh marinierter Saibling mit gerösteten Mandeln und Mangold ist eindeutig ersterer Kategorie zuzurechnen - einzig ein Tupfer gefrorener Vinaigrette bietet dem ungesalzenen Fisch und der roh darübergehobelten Stopfleber eine Idee von Würze. Bei der Suppe von der Urkarotte hingegen wird der Geschmack durch heftigen Säureeinsatz und Würze regelrecht überdeckt - nur das roh Geraspelte, das als Deko auf einem Rahmgupf liegt, darf eine Ahnung vom eigentlichen Geschmack vermitteln. Schnecken in Bärlauch sind von mineralischer, erdiger Kraft und auch im Biss deutlich konsistenter, als man das von den Mollusken gemeinhin erwarten darf. Dazu gibt es Kutteln in einem Sud aus jungem Knoblauch - noch so ein pures Gericht, in dem sich der Koch auf souveräne Weise zurücknimmt.

Wer nicht gleich nach Stockholm kann, um zu erleben, wie das Konzept im Original funktioniert, muss bis zum Herbst warten: eine Idee davon machen - da wird Frantzén/Lindebergs Linie für einen Monat nachgekocht - allerdings ganz offiziell und autorisiert. (Severin Corti/Der Standard/rondo/08/04/2011)