Skibaulehrer Andreas Fehlau und sein Modell "Hedonist" mit einem Makassar-Echtholz-Dekor und gebürsteten Aluminiumeinsätzen.

Foto: Andreas Müller

Andreas Fehlau bietet mit seinem Unternehmen 7-per-year in Gschwendt bei Bad Bayersoien zwei- und dreitägige Skibauseminare an. Die Preise liegen bei 400 bis 500 Euro. Die Materialkosten sind darin enthalten.

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Ein Teilnehmer hat einen leuchtenden Stoff mitgebracht. Sein Nebenmann will die Taschentücher vom Opa auf dem Ski verewigen. Ein anderer kramt gar Unterwäsche hervor.

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Stoffmuster, Blattoptik oder der Gulf-Porsche-Team-Look von 1970 - jedes Design ist möglich.

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Luft wird aus dem Skipaket abgesaugt und die Brettln kommen in Form.

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Passender könnte die Kulisse für ein Skibauseminar nicht sein. Dicke Flocken tanzen vor der Windschutzscheibe auf der Straße Richtung Oberammergau, die kleine Hinweistafel mit der Aufschrift "Skibuilding" ist kaum zu sehen. Der Wegweiser führt zu einem Bauernhof in Gschwendt, einem Weiler im tiefsten Oberbayern.Vor dem Bauernhof steht ein altes Sofa. Im Schneegestöber wirkt das Möbelstück reichlich deplatziert. Drinnen in der Werkstatt knistert das Feuer im Ofen. Die Werkstatt, das ist ein ehemaliger Kuhstall. Wo früher Rindviecher gemolken wurden, soll man beim Skibauseminar seine eigenen Bretter basteln und sich von der Hightech-Skiindustrie unabhängig machen können. Heißt es.

Nach und nach trudeln die Teilnehmer ein. Sie kommen aus Bayern, Vorarlberg, sogar aus der Steiermark sind fünf Skibegeisterte angereist. Andreas Fehlau, der Seminarleiter und Organisator des ungewöhnlichen Do-it-yourself-Kurses, verkürzt die Wartezeit mit einer Geschichte. Er erzählt, wie das vor fünf Jahren mit dem Selbstskibau angefangen hat. "Das ist saublöd gelaufen", beginnt der Oberbayer. "Mir sind meine Skier gestohlen worden." Die Skier, die er sich daraufhin kaufte, seien miserabel gewesen. Das nächste Paar aus dem Sportgeschäft war dann "richtig gut". Warum taugt der eine Ski etwas und der andere nichts?

Die Frage ging dem Softwareprojektleiter nicht mehr aus dem Kopf. Und weil er ein Tüftler ist, sägte Fehlau verschiedenste Modelle auf und begann schließlich selbst erste Prototypen zu bauen. "Irgendwann merkst du, auf was es ankommt." Dass der Nebenerwerbsskibauer inzwischen sein Wissen weitergibt, finden die großen Skifirmen gar nicht so lustig. "Die haben einen Mythos um den Skibau gebastelt", meint der 45-Jährige und lächelt. "Wir entzaubern ihn und verraten den Leuten die Einfachheit."

Verbandskasten und Formenguide

Danach weist der Lehrherr seine Schüler in die grundlegenden Dinge ein, er erklärt zum Beispiel wo die Verbandskästen hängen, was Heiterkeit auslöst. Und er verspricht ihnen, dass sie morgen Skier in der Hand halten werden, die vielleicht nicht ganz perfekt aussehen, im Schnee aber richtig Freude bereiten werden. "Weil sie voll auf eure Bedürfnisse abgestimmt sind."

Fehlau teilt die Schnittmuster aus, die er vorgezeichnet hat. Größe, Körpergewicht, skifahrerisches Können, Einsatzgebiet - Piste, Funpark oder Tiefschnee - harter oder eher weicher Ski, großer oder kleiner Radius, positive oder negative Vorspannung - all das war auf dem Anmeldeformular abgefragt worden. Ohne den Skiformenguide, der extra entwickelt wurde, wäre der eine oder andere Kursteilnehmer damit schon überfordert gewesen.

An einem der zu Werkbänken umfunktionierten Biertische klebt ein Teilnehmer sein Schnittmuster auf eine Pressspanplatte. Seine Bretter werden unter der Bindung 16 Zentimeter breit sein und damit die Maße von Wasserkier haben. "Normale Ski", rechtfertigt der Kollege die Extravaganz, "habe ich schon genug." Auf der Anmeldung sollte auch das handwerkliche Können in Schulnotenform angegeben werden. Selbst eine Fünf sei kein Ausschlusskriterium, betont Andreas Fehlau aber.

Tatsächlich ist der Einstieg ins Ski-bauseminar sanft. Mit der Stichsäge muss die spätere Skiform aus der dünnen Spannplatte ausgesägt werden. Als Nächstes nimmt sich jeder ein paar schwarze Belagstreifen. Andreas Mück, Fehlaus Kompagnon, genannt "Mücke", hebt die Augenbrauen. "Das ist keine 08/15-Ware. Es handelt sich um einen Sinterbelag aus dem Rennsport." Mück rät eindringlich, jetzt sehr, sehr sorgfältig zu arbeiten. Beim Belagausschneiden und Kantenfixieren werde die endgültige Form der Ski festgelegt.

Unberührte Tiefschneehänge in einer glitzernden Bergwelt

Draußen schneit es aus einem trüben Himmel weiter dicke Flocken. Der Schneepflug scheppert über die schmale Dorfstraße. Die Gedanken kreisen um unberührte Tiefschneehänge in einer glitzernden Bergwelt. Auf einen Schlag gehen die Lichter aus. Unter der Schneelast umgeknickte Bäume haben die Stromleitung unterbrochen. Die weiße Pracht bremst die Skibauer aus - eine Laune der Natur, gerade jetzt. Andreas Fehlau nutzt die Entschleunigung, um sich nach den Designvorstellungen zu erkundigen. Klaus Wanninger, ein Chemiker aus Rosenheim, hat einen grell leuchtenden Stoff mitgebracht. Sein Nebenmann will die vom Opa geerbten Taschentücher auf seinen Skiern verewigen. Stofffetzen, Holzfurniere, ja sogar ein Damenslip werden als Dekomaterial hervorgekramt.

Mit Elektrohobeln - nun per Notstromaggregat betrieben - werden die Eschekerne bearbeitet. "Etwas Besseres wie Eschenholz gibt es im Skibau nicht", erklärt Andreas Fehlau. Titanal oder Carbon - das klinge alles wunderbar, sei aber letztlich nur Marketing-Trara der Skiindustrie. Wieder und wieder gleitet der Hobel über das Holz und eine Vorrichtung, dank derer selbst Baumarkt-Allergiker die Bretter vom örtlichen Schreiner auf die gewünschte Stärke bringen. Auf einmal hält Wanninger einen stark blutenden Finger in die Höhe. "Auweh", sagt einer von Fehlaus Assistenten und streicht einen Hautfetzen vom Skikern. "Da müssen wir ins Krankenhaus." Nach dem Nähen wird der Pechvogel wieder tapfer weiterbasteln.

Es ist bereits nach 17 Uhr. Die Skibauer bereiten auf den Biertischen die Formen und Schablonen für das Laminieren vor. Den Belag mit Kunstharz einstreichen, Glasfasergewebe darauf legen und wieder Harz darauf streichen. Als nächstes kommt der Eschekern, auf dem ebenfalls Epoxydharz verstrichen wird, danach erneut Glasfasergewebe, wieder Harz und dann das Holzfurnier. Anschließend kommen die Rohlinge in einen Vakuumplastiksack. Ein Ventil wird angebracht und mithilfe eines kleinen Kompressors Unterdruck erzeugt. Es knistert, als sich die Skier in die Form schmiegen. Und ab damit in die selbstgezimmerte Wärmekammer.

Die Werkstatt ruft

Feierabend. Es gibt Wiener Schnitzel im Gasthof "Zum Weißen Roß" im nahegelegenen Bad Bayersoien. Beim Bier wird schnell klar, dass jeder Seminarteilnehmer ein besonderes Verhältnis zum Thema Ski hat. Das von Jakob Lederer ist sehr speziell. Sein Beruf sei "Skimöbelbauer" sagt er knapp und nimmt einen Schluck aus seinem Glas. Das bedeute, dass er alte Ski zu Hockern, Stühlen und Bänken verarbeite. Auf die Idee war Lederer gekommen, weil er es nie übers Herz brachte, die ausgedienten Bretter, an denen so viele schöne Erinnerungen hingen, wegzuschmeißen.

Am nächsten Morgen ist der Himmel blau, und der Blick vom Bett aus auf die Dächer von Bad Bayersoien lässt schätzen, dass zehn Zentimeter Neuschnee gefallen sind. Wahrscheinlich ein Traum-skitag auf der Zugspitze. Aber nicht der Berg, sondern die Werkstatt ruft.

Die vakuumierten Skier haben in der Wärmekammer bei 50 Grad Celsius die Nacht verbracht. Nachdem Fehlau mit feierlicher Miene die Türen des Skibackofens geöffnet hat, bekommt jeder sein Skipaket. Wie Kinder unterm Weihnachtsbaum reißen alle die Plastikfolie herunter. Zum Vorschein kommt eine durchgehende Platte. Immerhin sind die Skischaufeln zu erkennen. Jetzt müssen die Skier mit der Stichsäge exakt ausgesägt und die Seitenwangen geschliffen werden. Die Feinarbeit zieht sich. Aber dann ist es so weit. Gregor Wechselberger, der Goldschmied aus Oberaich unweit von Bruck an der Mur, hält das Ergebnis seiner Arbeit gegen die Sonne. "Das ist mein Ski. A Wahnsinn." Die anderen Kursteilnehmer sind ebenfalls glückselig, auch wenn die einer oder andere Kante einen kleinen Buckel hat. "Passt schon", beruhigt "Mücke" den Teilnehmer aus dem Allgäu. "Das merkst du im Tiefschnee nicht." In den Stolz mischen sich Zuversicht und Vorfreude: Der Ski wird funktionieren! Draußen vor der Werkstatt schießt Andreas Fehlau Erinnerungsfotos von zufriedenen Skibauern. Jeder darf mit seinen Unikaten in einem ausrangierten Sessellift-Sitz posieren.

Klaus Wanninger wird der Erste sein, der schon wenige Tage später sein Modell im Schnee testet. "Ich habe gestern meinen Ski ausprobiert", berichtet der Buckelpisten-Freak seinen Kollegen im Rundmail. "Mein Ski geht super. Ich bin noch nie so direkt in die Buckel reingefahren." Kein Wort vom verletzten Finger. Der ist längst vergessen. (Roland Wiedemann/Der Standard/rondo/10/12/2010)