Francis International Airport auf dem Weg "In The Woods".

Foto: C Ostermann/Siluh Records

FRANCIS INTERNATIONAL AIRPORT
In The Woods

(Siluh)
Es wäre ein Leichtes, dem heimischen Vierer vorzuwerfen, dass sie sich von Bands wie Arcade Fire oder The National inspirieren lassen. So nahe sind die Ergebnisse auf In The Woods. Aber das haben schon andere weniger mitreißend versucht als Francis International Airport. Außerdem wird hier nicht bloß versucht, etwas erfolgreich nachzustellen - FIA drehen diese Ästhetik doch noch um einiges weiter, ringen ihr zusätzliche Facetten ab. Trotz oder gerade wegen dieser Breitseite ein sehr, sehr schönes Album. 

THE WALKMEN
Lisbon

(Bella Union/Universal)
Nach einem Frühwerk als schwindsüchtige Bob-Dylan-Jünger haben sich die New Yorker Walkmen emanzipiert und legen mit Lisbon das zweite Album mit eigener Stimme vor: quengelnder Indie-Rock voller kunstvoll verstimmter Gitarren, euphorisch leidendem Gesang und pathosschwerem Schepperschlagzeug. Das kennt man alles längst, was aber nicht heißen soll, dass man für derlei Charme plötzlich nicht mehr anfällig sein darf. 

JERRY LEE LEWIS
Mean Old Man
(Verve/Universal)
Der Titelsong könnte auch von Johnny Cash selig stammen. Jerry Lee Lewis, einst nichts weniger als eine Bedrohung all dessen, was unter guten Sitten firmierte, will es mit 75 noch einmal wissen. Für Mean Old Man hat er sich mit A- und B-Prominenz wie Mick Jagger, Merle Haggard, Sheryl Crowe, Slash (okay, auch C-Promis) und noch 15 anderen umgeben und dieses Album eingespielt. Das ehrt manche Gäste mehr als den Killer, geht insgesamt als lässig abgehangenes Rock-'n'-Roll-Album mit Country-Einschlag durch.

MY JERUSALEM
Gone For Good

(One Little Indian / Hoanzl)
Jeff Klein und Dave Rosser kennt man von den Twilight Singers, der Band von Greg Dulli. Zusammen mit Rick Nelson von Polyphonic Spree, Ashley Dzerigian von Great Northern und Cully Symington von Bishop Allen bildet man My Jerusalem. Dem ewigen Spannungsspiel von Euphorie und Depression trotzt diese Band aus New Orleans einige herzergreifend schöne Stücke ab, die von tragenden Melodiebögen und großen Gesten ebenso bestimmt sind wie von liebevoller Detailarbeit. So typisch Indierock, und dennoch ganz anders. 

KELLEY STOLTZ
To Dreamers
(Sub Pop/Trost)
Weil John Lennon ja gerade Geburtstag gehabt hat: Kelley Stoltz ist so etwas wie ein Garagenrock-Lennon. Schreibt grandiose Melodien und Songs, was immerhin schon Australien, Großbritannien sowie Jack White und The Raconteurs erkannt haben. To Dreamers zeigt den Mann auf der Höhe seiner Kunst, die Sixties-selig, aber doch energetisch den perfekten Popsong sucht. Ein paar Mal gespielt - und man ist süchtig. 

JOHN LEGEND / THE ROOTS
Wake Up!

(Sony)
Vor der letzten US-Präsidentschaftswahl haben sich John Legend und The Roots zusammengetan und politisch bewegte Stücke aus ihrer Kindheit und Jugend gespielt. Nun sind die Früchte dieser Arbeit erschienen. Legend kann ja schon ein bisserl geleckt daherkommen. Das räumen ihm die Roots hier aber runter. Sie covern Marvin Gaye, Donny Hathaway, Baby Huey & the Babysitters und andere Soul- und Funkgrößen. Der Albumtitel wurde von den gleichnamigen Arcade-Fire-Song inspiriert, und The Roots, mein Gott, die machen sowieso alles immer richtig. Eine Bank. (flu, RONDO/DER STANDARD - Printausgabe, 15. Oktober 2010)