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106,4 Liter Bier pro Kopf und Jahr

Foto: APA/Holger Hollemann

Kollege Alois Schörghuber von der Sendung Moment - Kulinarium auf Ö1 plauderte mit mir dieser Tage über Bierspezialitäten. Warum nur gibt es in einem Land mit so ausgeprägter Bierkultur wie Österreich so wenige Biere, die sich von dem unterscheiden, was man auch von Großbrauereien bekommen kann? Und: Gibt es überhaupt heimische Biere, die den Aufwand eines anderen Brauverfahrens lohnen?

Als Teil der Antwort stellte ich ein "Triple 22" von der Handbrauerei Forstner in Kalsdorf hin - ein belgisch inspiriertes Ale, das sich auch auf dem belgischen Starkbiermarkt sehen lassen könnte. Das aber in Österreich nur in kleinsten Mengen erfolgreich ist. Wer zahlt schon freiwillig ein Vielfaches des Preises einer Halben für ein 0,3-Liter-Fläschchen? Da müsste das Bier ja ganz außergewöhnlich gut sein!

106,4 Liter Bier pro Kopf und Jahr

Das ist es auch. Aber es würde wohl nicht so empfunden - jedenfalls nicht von der Mehrheit der österreichischen Biertrinker. Und das ist eben der zweite Teil der Antwort: In Österreich sind die meisten Konsumenten mit genau dem Bier zufrieden, das ihnen angeboten wird, sonst würden sie ja nicht 106,4 Liter Bier pro Kopf und Jahr konsumieren - wer so viel oder mehr trinkt, hat schon gefunden, was für ihn passt und weiß, was für ihn ein "richtiges" Bier ist. Die gängigen Märzenbiere treffen eben den Geschmack eines relativ breiten Publikums - und wer auf diesem Markt erfolgreich ist, mag seine Fans nicht verschrecken. Ein bisschen Pils und Weizenbier zur Abrundung des Angebots funktionieren gerade noch. Bockbier schon viel weniger. Und die wenigen Ales aus Mittelstandsbrauereien heißen sicherheitshalber meist nicht Ale - eben um die gelernten Biertrinker nicht mit einem zu exotischen Angebot zu verschrecken.

Dabei wird übersehen, dass es etliche potenzielle Konsumenten gibt, die das gängige Bier eben nicht so sehr schätzen und daher wenig bis gar nichts davon trinken. Diese wären die Zielgruppe, wo starke oder gewürzte, rauchige oder saure, fruchtige oder sonst wie den gewohnten Rahmen sprengende Biere neue Freunde finden könnten. Das Vertrackte daran: Diese Leute sind über das gängige Biermarketing und die gängigen Vertriebswege nicht zu erreichen. Man muss sie einzeln ansprechen. Eine Chance für die Kleinen. (Conrad Seidl/Der Standard/rondo/25/06/2010)