Lediglich Pfefferoni und Paprika kann man, bevor der gärtnerische Entzug bleibende Schäden zu hinterlassen droht, jetzt schon vorziehen.

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Wenn erwachsene Menschen dieser Tage morgens aufstehen, zum Fenster schlurfen, draußen schon wieder, wie seit Monaten, wenig mehr als Schnee, Schnee, Schnee erblicken und sodann mit dem Fuß aufstampfend "Ich will jetzt endlich Frühling haben!" schreien, ist es Zeit für eine milde Beschäftigungstherapie.

Man kann diese armen Kreaturen zum Beispiel sanft am Arm fassen, vom Fenster wegziehen und zur Sandkiste für Erwachsene führen. Für eine solche ist Raum selbst im kleinsten Heim: eine Wanne voll sandig durchsetzter Anzuchterde, ein paar Töpfchen einladend rundherum aufgebaut, die richtigen Samenpäckchen vorbereitet. Und alles wird wieder gut.

Ja, aber welche Samen? Im Februar? Sicher nicht die von Paradeisern, Gurken oder Kürbissen, Gott bewahr! Viel zu früh. Lediglich Pfefferoni und Paprika kann man, bevor der gärtnerische Entzug bleibende Schäden zu hinterlassen droht, jetzt schon vorziehen. Die brauchen sowieso ihre Entwicklungszeiten, man darf ihnen dann ein bisschen beim Wachsen zuschauen.

Spätwinter-Melancholie

Möglichst hell wollen sie's natürlich und nicht zu nass. Ansonsten sind sie vorerst ziemlich anspruchslos. Erst im Mai, nach den Frösten, eh klar, kommen sie dann hinaus. Dann reden wir weiter.

Bis dahin brauchen wir aber noch einiges an Beschäftigungstherapie. Doch die stellt sich ohnehin magischerweise wie von selbst immer wieder ein.

Als vor Jahren, um nicht zu bekennen, Jahrzehnten meinen Großvater-selig rund um diese für Outdooraktivisten tatsächlich eher hinderliche Jahreszeit ebenfalls eine Spätwinter-Melancholie anzuwandeln begann, hatte meine Großmutter-selig gerade eine Kaffeeklatschrunde gehabt.

Es stand auf dem Küchentisch, als Mitbringsel von einer der Urstrumpftanten hinterlassen, ein Zierpaprika im Topf, umrüscht von einer weißen 70er-Jahre-Schleife in Zickzack. Er stand in voller Frucht. Die winzig kleinen Zierpaprika waren rundlich und dunkellila und ziemlich viele für ein so kleines Sträußchen.

Die werden wir einlegen

Mein Großvater, muss man wissen, hatte einen langen Winter hinter sich. Er hatte monatelang weder umgestochen noch etwas angebaut, er hatte keine Bäume veredelt und keine Sträucher erziehungsgeschnitten. Er hatte keine Steinwälle geschichtet, keine Erdäpfel ausgegraben, keine Kreuzungsversuche zwischen verschiedenen Marillensorten unternommen. Er hatte überhaupt seines Daseins schönsten Sinnes entbehrt, nämlich des Gartens und des Feldes, der Bienen- und der Forellenzucht.

Die Erdkrume war über diesen langen Winter seinen Fingernägeln entwachsen und hatte diese so säuberlich hinterlassen wie die des Städters. Aus diesem Blickwinkel betrachtet wird man ihn verstehen.

Er stand kurz grübelnd vor dem reizenden Arrangement und sagte dann: "Die werden wir einlegen. Am besten in Öl. Alles andere wäre Verschwendung." Ich assistierte ihm und entwich, kurz bevor die Großmutter heimkehrte. So entging ich, gleich nach der ersten Ernte, dem ersten Sommergewitter des damaligen Jahres. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/19/02/2010)