LED-Glühbirne Woonderlux, die vor kurzem im Münchner Showroom von Ingo Maurer präsentiert wurde.

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Designer Ingo Maurer, mit seinen Leuchten Early Future und Flying Future, in denen organische LEDs (OLEDs) zur Lichtquelle werden.

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DER STANDARD: Können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit der Glühbirne erinnern?

Ingo Maurer: Aber ja, ich sehe das Bild ganz deutlich vor mir, und ich habe diese Begegnung auch in der Ausstellung Lumières je pense à vous im Mai 1986 im Centre Pompidou thematisiert.

DER STANDARD: Erzählen Sie uns davon?

Maurer: Das war im Klo meiner Eltern. Dort hing diese Glühbirne, und ich saß da und träumte. Und, wie gesagt, viele Jahre später hab ich dieses Klo sowohl für die Ausstellung in Paris als auch für eine Schau in São Paulo nachgebaut.

DER STANDARD: Was war das Faszinierende?

Maurer: Mich beschäftigte diese Zerbrechlichkeit. Außerdem bin ich auf einer Insel (Reichenau im Bodensee, Anm. der Redaktion) aufgewachsen, mein Vater war Fischer. Da hat man einen anderen Bezug zu Licht.

DER STANDARD: Und wie kam es dann zur bewussten Beschäftigung mit Licht?

Maurer: Daran hatte auch wieder eine Glühbirne Schuld - und eine Flasche Rotwein. Das war der Anfang meiner Lichtgeschichte, 1966.

DER STANDARD: Was hatte der Wein mit der Birne zu tun?

Maurer: Ich saß allein beim Mittagessen in Venedig und trank diese Flasche leer. Anschließend war mir sehr nach Siesta, und ich legte mich in einer billigen Pension auf das Bett. Über mir hing eine 15-Watt-Glühbirne, und in die hab ich mich dann so richtig verliebt, ganz bewusst.

DER STANDARD: Was haben Sie sich in diesem Moment gedacht?

Maurer: Ich dachte mir, sie ist eine unglaublich schöne Erfindung und hat so einen poetischen Ausdruck. Die Glühbirne steht ja auch für den Begriff Idee. Was für ein Symbol könnte sie wohl ersetzen?

DER STANDARD: Und das sind die Gründe, weshalb Sie so sehr für die Glühbirne kämpfen?

Maurer: Ich kämpfe für sie, weil ich finde, dass wir uns von der EU nicht wegnehmen lassen dürfen, was uns lieb ist, und vorschreiben lassen müssen, unter welchem Licht wir uns wohlfühlen müssen. Und es geht darum, dass bekannt ist, dass dieses andere Licht (Energiesparlampe, Anm. der Redaktion) ungesund ist.

DER STANDARD: Bis zum Jahre 2012 sollen alle Glühbirnen vom Markt verschwinden. Andreas Blühm, Leiter des Wallraf-Richartz-Museums in Köln meint, die alte Glühlampe sollte Unesco-Weltkulturerbe werden. Da stehen Sie voll dahinter, nehm ich an?

Maurer: Na aber hundertprozentig.

DER STANDARD: Sie sagten einmal, unsere emotionale Stabilität sei an die Glühbirne gebunden. Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?

Maurer: Nein, das stimmt, weil die Glühbirne nahe am Feuer bleibt. Feuer ist etwas Archaisches, die Glühbirne hat diesen warmen Ton, hat im Gegensatz zur Energiesparlampe auch rote Wellen. Man schickt uns in eine Öde und vergisst, dass das Licht direkt auf unsere Psyche einwirkt. Die Energiesparlampe ist überholt, das kann man dauernd in der Zeitung lesen. Wir wussten das aber schon vorher. Das Gemeine ist, dass große Firmen wie Philips und Osram, mit denen wir übrigens schon seit drei Jahren gemeinsam an der OLED-Technik arbeiten, natürlich großartig verkaufen. Dem Ganzen geht eine super Lobbyarbeit, ein brillanter Coup der Industrie voraus. Die Energiesparlampe gab es ja schon vorher. Aber sie wurde von den Menschen abgelehnt.

DER STANDARD: Aber was ist denn mit dem Argument der Energie-Einsparung?

Maurer: Lassen Sie uns doch an anderer Stelle sparen. Man könnte all die überbeleuchteten Häuser in den Griff kriegen, man könnte öfter Geräte und Leuchten ausschalten, die überflüssig Strom verbrauchen, man könnte andere Autos fahren usw. Es schreibt uns ja auch niemand vor, wie lange wir am Computer sitzen dürfen.

DER STANDARD: Sie verwendeten einmal den Begriff "gleichgültiges Licht". Was verstehen Sie darunter?

Maurer: Licht ist eine Art vierte Dimension, und die Energiesparlampe ist gleichgültiges Licht. Wir machten eine Ausstellung in unserem Showroom in München, bei der wir zwei Räume ausleuchteten, den einen mit der Glühbirne, den anderen mit dem anderen Licht. Es war erschütternd.

DER STANDARD: Was hätte wohl Thomas Alva Edison zum Glühbirnenverbot gesagt?

Maurer: Da muss ich wieder eine Geschichte erzählen: In dem Katalog zu der Ausstellung in Paris, von der ich schon erzählte, hatte ich eine Erzählung über einen Albtraum von Edison geschrieben. Er träumt, dass er neben seiner Frau liegt und gerade die Glühbirne erfunden hat. Die Frau regt sich auf, weil er nicht zur Ruhe kommt. Das ist so ähnlich wie bei meiner Frau, die immer sagt: "Denk nicht so laut!" Wie auch immer, Edison liegt also da und dann fliegt diese schreckliche Sparlampe durch die Gegend.

DER STANDARD: Sie haben ein Kondom für Glühbirnen entwickelt. Was hat es damit auf sich?

Maurer: Das war die Idee meins Mitarbeiters Reinhold Brandmair. Das sogenannte Euro Condom ist eine dünne, hitzebeständige Silikonhülle, mit der mit einem Handgriff eine klare Glühlampe in eine matte umgewandelt werden kann. Matte Glühbirnen sowie klare Lampen über 100 Watt dürfen ja seit 1. September für den Haushaltsgebrauch nicht mehr produziert oder eingeführt werden. Bis 2012 soll das für alle Glühbirnen gelten. Das Kondom ist aber nicht nur ein Gag. Das Ding soll die Leute ein wenig aufwecken, sie davor warnen, sich ihr Wohlbefinden stehlen zu lassen.

DER STANDARD: Sie wollen trotz des Verbotes der Glühbirne weiter Leuchtenmodelle für sie entwerfen. Auch eine Form zivilen Ungehorsams?

Maurer: Ja, aber ich fahre ja nicht nur auf die Glühbirne ab. Jetzt hau ich mal ein bisschen auf die Pauke. Wir entwickelten ja auch Low-Voltage-Geschichten und waren bei anderen Dingen bahnbrechend. Vieles davon wurde kopiert. Dann ist da die Sache mit den OLEDs, und betreffend LED war ich, auf jeden Fall in Europa, der Erste, der LED in den Privatraum gebracht hat. Mit LED sind wir technologisch allerdings noch immer nicht ganz dort, wo wir hinwollen.

DER STANDARD: Woran hapert's?

Maurer: An der Lichtfarbe. Auch wenn man die heute schon mischen kann, hat es immer noch etwas leicht Virtuelles. Es fehlt das Element Feuer.

DER STANDARD: Aber Sie bleiben dran?

Maurer: Natürlich, wir haben auch gerade vor ein paar Wochen eine Glühbirne namens Woonderlux vorgestellt. Das ist eine leere Glühbirne, in deren Gewinde eine LED versteckt ist.


DER STANDARD: Goethes letzter Ausruf lautete angeblich: "Mehr Licht". Was glauben Sie, meinte er?

Maurer: Ich denke, er ging in die Dunkelheit und wollte mehr Licht. Vielleicht forderte er auch mehr Offenheit für die Gehirne der Menschen.

DER STANDARD: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Ihr letzter Satz lauten könnte?

Maurer (lacht laut): Nein, hab ich nicht. Aber ich komm immer näher an ihn dran. Ich bin 77. Auf jeden Fall hoffe ich, dass ich in den Armen meiner Frau sterben darf.

DER STANDARD: Es ist Weihnachtszeit. Wie stehen Sie zu Kerzenlicht?

Maurer: Wir machen ja die "Fly candle Fly", die wir gemeinsam mit dem Österreicher Georg Baldele entwickelt haben. Kerzenlicht hat oft den Nachteil, dass es entweder irritiert oder direkt blendet. Aber es verbreitet eine wunderbare Atmosphäre. Es ist Feuer.

DER STANDARD: Was ist das schönste Licht der Welt?

Maurer: Das Licht, das aus dem Herzen eines Menschen kommt.

DER STANDARD: Das ist aber unsichtbar.

Maurer: Aber spürbar.
(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/04/12/2009)