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Sein Kleiderschrank, sagt Andreas Kronthaler, sei 1000-mal größer als jener von Vivienne Westwood: "Sie ist ja ein Mensch, der nichts braucht."

Foto: APA/AP/Akira Suemori

Einen "Toyboy" hat man ihn genannt. Das war nicht sehr freundlich gemeint. Einen als Fotomodell wiedergeborenen D. H. Lawrence wollten andere in ihm sehen. Das war zwar auch anzüglich, aber schon netter formuliert. Vermeidbar waren die sexuellen Zuschreibungen jedenfalls nicht. Heiratet ein 25-Jähriger eine 50-Jährige, dann müssen er und sie sich auf böse Bemerkungen einstellen. Das war vor 17 Jahren nicht anders als heute.

Vor 17 Jahren heiratete der Zillertaler Andreas Kronthaler die englische Modemacherin Vivienne Westwood. Eine Ikone war sie schon damals. Eine Institution vergleichbar mit der Queen ist die Westwood heute. Damals, als der großgewachsene, fesche Bursche aus der Provinz nach Wien kam und in der Modeklasse der Wiener Angewandten plötzlich die Dame mit den orangen Haaren als Professorin vor sich sitzen hatte, war ihm das nicht bewusst: "Ich habe einige Artikel über sie in Zeitungen gelesen, das war's."

Heute sitzt Kronthaler im Schottenrock und gelben Stutzen im Wiener Café Engländer und erzählt von Vivienne Westwood, wie ein Ehemann eben über seine Ehefrau spricht. Er spricht von ihren Schrullen ("Sie belehrt einen immer") und von ihren Ticks ("Sie vergisst manchmal auf ihre Unterhosen") und davon, dass er sie braucht. "Wir fahren zusammen mit dem Rad in die Arbeit, wir entwerfen zusammen, wir besprechen uns, wir essen zusammen zu Abend." Sie kocht, er macht den Abwasch. So wie man sich das eben vorstellt bei einem eingespielten Ehepaar, das im runtergekommenen Süden Londons (in Clapham) wohnt und im Sommer gemeinsam auf die Alm (in Alpbach) geht.

Das Leben ist doch eine Modeschau

Nur dass die Dame des Hauses eine der ungewöhnlichsten Persönlichkeiten des Inselstaates ist - und ihr Ehemann ihr in nichts nachsteht. Nach Wien gekommen ist Kronthaler auf Einladung von Bernhard Willhelm, dem neuen Mode-Professor der Wiener Angewandten. Zusammen hielten sie für die Studenten des Abschlussjahrganges einen Workshop. Worüber sich Kronthaler nach einigen Tagen am meisten aufregen kann, ist, wie nachlässig die Mode-Studenten in dieser Stadt angezogen sind. "Das Leben ist doch eine Modeschau", sagt er. Sein Kleiderschrank, hat er in einem Interview mit der deutschen GQ verraten, sei i i etwa 1000-mal größer als der von Westwood: "Sie ist ja ein Mensch, der nichts braucht."

In den Medien ist Kronthaler in der letzten Zeit ziemlich oft. Jahrelang wurde er von der englischen Presse nicht gerade nett behandelt. Man spekulierte über seine sexuelle Orientierung, fragte sich, welcher Natur seine Beziehung zur Westwood genau sei. Obwohl Kronthaler die Westwood-Männerkollektion beinahe im Alleingang entwirft, hielt er sich in der Öffentlichkeit zurück. In den vergangenen Monaten hat sich das verändert. Er gibt Interviews und gilt offiziell als Designer der Westwood-Männerkollektion. In den Kampagnen der Marke ist er bereits seit zwei Saisonen zu sehen. "Strategie steckt keine dahinter. Vivienne wollte schon immer, dass ich weiter im Vordergrund stehe. Mir ist das ein Graus."

So wirklich nachvollziehen kann man das nicht. Als scheues Reh wird man Kronthaler kaum bezeichnen können. In der Öffentlichkeit fällt er mit seinem - vor keinen Farb- und Stilkombinationen zurückschreckenden - Kleidungsstil genauso auf, wie das die Westwood tut. Erst wenn die Krawatte gar nicht passt und der alte Pullover zum schillernden Anzug kombiniert wird, fühlt sich Kronthaler wohl. Im Londoner i-D-Magazin war er im Sommer halbnackt und mit einer goldenen Banane im Mund zu sehen. Mit dabei war auch Bernhard Willhelm. Der Fotograf: Jürgen Teller.

Teller-Stil

Er fotografiert die Westwood-Kampagnen im typischen überbelichteten Teller-Stil. Über sie müsste man nicht viele Worte verlieren, wäre nicht neben Kronthaler und Westwood auch Pamela Anderson mit von der Partie. Eine Königin des Trash. Sie bringt man weniger mit Mode als mit dem in Verbindung, was darunter liegt. Eine Freundin nennt sie Kronthaler, eine der wenigen Traumfrauen, die er kennt: Vivienne sei die Überfrau, sagt er, Jerry Hall ein Wahnsinn. Und dann käme schon Pamela Anderson: "Wäre ich nicht bereits verheiratet, wäre ich gern mit ihr zusammen." Bei dem Fotoshooting auf dem Campingplatz in L. A., auf dem Anderson lebt, habe man sich näher kennen und schätzen gelernt. Auch in der nächsten Saison ist sie in der Kampagne wieder dabei. "Mittlerweile gehört sie fast schon zur Familie." Das ist wahrscheinlich das Schmeichelhafteste, das Kronthaler über jemanden sagen kann. Der Sohn eines Schmiedes ist nämlich ein ausgesprochener Familienmensch. Mit Viviennes Mutter Dora ging er bis zu ihrem Tod vor zwei Jahren jeden Freitagabend ins Pub. "Ich bin ein sehr geregelter Mensch, aber irgendwie gerate ich immer an Menschen, die da ganz anders sind." Dass in die Westwood-Familie so etwas wie ein Familiensinn eingezogen sei, behauptet er, sei ihm zu verdanken. Dabei ist er kaum älter als Westwoods Sohn Joseph Corre, der Gründer von Agent Provocateur: "Natürlich hat er mich am Anfang kritisch beäugt." Malcolm McLaren, Westwoods legendären ersten Mann, habe er dagegen nie wirklich kennengelernt. "Auch Vivienne redet nicht mehr über ihn."

Ihre bewegte Vergangenheit als Queen of Punk spielt für Westwood keine große Rolle. "Als sie merkte, dass die Rebellion vom Establishment aufgesogen wird, schlug sie eine andere Richtung ein. Sie beschäftigte sich mit Modegeschichte, die Parodie wurde wichtig."

Engagement für Umweltprojekte

Mittlerweile sitzen sie und Kronthaler sogar bei Prinz Charles und Camilla beim Tee. Auf des Prinzen Landsitz Highgrove waren sie zuletzt zum Plauderstündchen geladen. Charles und Vivienne eint ihr Engagement für Umweltprojekte. Erzählt Kronthaler vom Treffen mit dem Prinzen, dann kommt der Tiroler Landbursch in ihm durch: "Da sitzt man dann und trinkt Tee, und Prinz Charles reicht Brötchen, und Vivienne redet viel. Sie sagt dann manchmal Sachen, da denk ich mir, das kann man zu einem Prinzen doch nicht sagen!" Die Westwood sagt es trotzdem. Ihre direkte Art ist legendär. "Ein bisschen erinnert sie mich an meine Großmutter, eine Zillertaler Großbäuerin. Auch sie hat jeden gleich behandelt." Die Herkunft vom Lande (Westwood ist in einer Kleinstadt im Norden Englands aufgewachsen) verbindet - allen kulturellen Unterschieden zum Trotz.

"Natürlich fliegen oft die Fetzen, grundsätzlich gibt es zwischen uns aber nicht die kleinste Spur eines Schattens." Der Altersunterschied war nie ein Thema, in den vergangenen Jahren, sagt Kronthaler, bemerke er aber manchmal, dass Vivienne auf die siebzig zugeht. An ihre Eigenheiten habe er sich gewöhnt. "Andere werden durch ihre Kompromisslosigkeit narrisch." Aneinandergeraten würden sie nur, wenn es darum geht, mit der U-Bahn zu fahren: "Vivienne will keine Taxis nehmen. Sie kriegt die U-Bahn-Karte ein bisschen billiger. Sie hat nämlich eine Pensionistenkarte." Darauf muss Andreas Kronthaler noch einige Jährchen warten. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/04/12/2009)