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Die Romanée-Conti ist gerade 1,8 Hektar groß. Umgeben ist sie von anderen edlen Grand Crus. Warum nur sie zur Legende wurde? Für Besitzer Aubert de Villaine (Bild) ist das, wie stets in Burgund, nur eine Frage der Lage: "Sie ist die Beste des Hanges. Der Boden ist sehr einheitlich und produziert einen Wein mit viel Finesse und wenig Wucht". Bescheidener geht's nicht.

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DER STANDARD: Ohne jetzt zu sehr an Ihren eigenen Wein zu denken: Würden Sie die Behauptung unterschreiben, dass der beste Wein Burgunds gleichzeitig der beste Wein der Welt ist?

Aubert de Villaine: Das ist eine Fangfrage! Natürlich gibt es keinen "besten" Wein der Welt. Was es gibt, sind zwei Modelle des Weinbaus, die in Frankreich entwickelt wurden und weltweit gültig sind: einerseits das Modell aus Bordeaux, mit seinen Cuvées und Châteaux, die als Marken funktionieren. Und andererseits das Burgunder Modell - jenes des Terroirs oder "Climats", wie wir es nennen. Dieses zweite Modell bedeutet Weinbau in seiner wohl schwierigsten, aber auch raffiniertesten Form. Wir beschränken uns auf eine einzige Traubensorte: den Pinot noir. Und das in Lagen, die schon vor Jahrhunderten abgesteckt wurden. Das ist ein sehr heikles Unterfangen. Wenn es allerdings gelingt, erhält man als Belohnung einen Wein, der vielleicht nicht zu den besten - denn es gibt eben auch andere Ausdrucksformen von Wein -, in jedem Fall aber zu den feinsten der Welt gehört.

DER STANDARD: Was halten Sie von Pinot, der in anderen Gegenden der Welt produziert wird?

de Villaine: Der Pinot stammt aus den Wäldern Ostfrankreichs. Von dort ausgehend wurde er mit einem einzigen Ziel kultiviert und raffiniert: nämlich jenem, das Terroir dieser Gegend widerzuspiegeln. Pinot ist keine Sorte mit viel Geschmack. Eigentlich hat sie sehr wenig Eigengeschmack - aber sie drückt das Land aus, in dem sie wächst. Daher tut sie sich anderswo sehr schwer. Pflanzt man sie in einem Boden, der kein Terroir hat, wird sie auch nichts Interessantes zum Ausdruck bringen und also keine interessanten Weine geben.

DER STANDARD: Trotzdem wurde Pinot zu einer der international beliebtesten Trauben und wird weltweit angebaut. Kann man in Österreich, in Neuseeland, in Kalifornien überhaupt guten Pinot noir produzieren?

de Villaine: Es gibt natürlich Gegenden in Österreich - und auch in Neuseeland und Kalifornien - wo aus Pinot gute Weine entstehen können. Doch unsere Kalkböden, die besonderen klimatischen Bedingungen Burgunds und die Ausrichtung der Weinberge nach Osten - das bleibt einzigartig. Man kann also nirgendwo Wein produzieren, der dem Burgunder ähnelt. Man kann zwar guten Wein machen, aber keinen Burgunder. Bis heute habe ich noch keinen Pinot aus irgendeiner Region getrunken, der an das Niveau der Grands Crus oder Premiers Crus Burgunds herankommt.

DER STANDARD: Da wir von Terroir sprechen: Gibt es tatsächlich so gewaltige Unterschiede zwischen der Romanée - einer Ihrer vergleichsweise günstigeren Nachbarlagen - und der Lage Romanée-Conti? Diese zwei Weinberge liegen doch unmittelbar nebeneinander?

de Villaine: Wir sind hier im Bereich von feinen Nuancen. Es sind diese Nuancen, die die Weinliebhaber in Burgund suchen.

DER STANDARD: Dafür, dass es sich um Nuancen handelt, geht es hier aber um sehr viel Geld.

de Villaine: Das erklärt sich aus verschiedenen Gründen: der Wein Romanée-Conti entstammt der gleichnamigen Lage im Herzen des Gebietes der Vosne-Romanée. Sie ist sehr klein, und sie ist die beste eines Hanges, auf dem es große Unterschiede gibt. Ihr Boden ist sehr einheitlich und produziert einen Wein mit viel Finesse und wenig Wucht. Aus all diesen Gründen wurde Romanée-Conti zu einer Art Symbol des Terroirs in Burgund. Bei der Verkostung unserer Weine im Palais Coburg waren die Leute von der Finesse des Romanée-Conti am meisten angetan. Das ist immer so, selbst wenn sie gar nicht wissen, was sie trinken. Es geht hier nicht um mehr Wucht im Abgang, in der Frucht oder im Alkohol, sondern eben um Finesse. Genau diese Finesse wird von Liebhabern so geschätzt und erklärt auch den Preisunterschied.

DER STANDARD: Bedeutet das, dass all die berühmten Weine Ihrer Domäne - also Romanée-Conti, La Tâche, Echézeaux, Richebourg und so weiter - auf ein und dieselbe Art hergestellt sind?

de Villaine: Absolut. Sie werden alle genau gleich hergestellt. Natürlich kann es vorkommen, dass zum Beispiel in einer Lage jüngere Rebstöcke stehen. Was aber die Arbeit des Winzers und das pflanzliche Material angeht - das bleibt beides immer gleich. Wenn man unseren Weinen ein gewisses Talent nachsagt, dann jenes, dass sie ihr Terroir ausdrücken - und zwar nur das.

DER STANDARD: Sie sprechen von pflanzlichem Material; seit einiger Zeit haben Sie auf Biodynamik umgestellt. Warum?

de Villaine: Wir arbeiten seit 25 Jahren biologisch, dann begannen wir mit der Biodynamik zu experimentieren und haben seit einigen Jahren komplett umgestellt. Die Biodynamik beschäftigt sich intensiv mit den Pflanzen und sucht nach Methoden, um möglichst wenig einzugreifen. Das hat uns interessiert, denn für den Wein ist das schlicht das Beste.

DER STANDARD: Und was ist mit der leicht mystischen Komponente der Biodynamik: die Mondphasen, die mit Kuhmist gefüllten und hernach vergrabenen Kuhhörner ... Interessiert Sie diese auch?

de Villaine: Mystik in diesem Bereich interessiert mich überhaupt nicht. Aber man muss demütig bleiben. Wie erklärt man die Biodynamik? Ich habe keine Ahnung. Das Gleiche gilt für die Homöopathie - trotzdem funktioniert beides.

DER STANDARD: Hat sich die Arbeit im Weinkeller verändert, seit Sie auf Biodynamik umgestiegen sind?

de Villaine: Überhaupt nicht. Aber wissen Sie: Die Arbeit im Weinkeller war und ist sowieso von geradezu biblischer Einfachheit.

DER STANDARD: Ist eine biodynamische Rebe nicht durch Umweltfaktoren wie Klimawechsel und Ähnliches gefährdeter als eine konventionelle?

de Villaine: Das glaube ich nicht. Im Gegenteil: Die Biodynamik stärkt die Selbstverteidigung des Weinstocks. Ich bin außerdem sehr zuversichtlich, was die Klimaveränderung angeht. Bisher hat sie uns nur Gutes gebracht. Wir haben Jahrgänge, die vor dreißig Jahren noch sehr schwierig gewesen wären und die heute Spitzenweine hervorbringen, weil es immer wieder ein schönes, warmes Wetterfenster gibt, in dem die Trauben nachreifen können. Burgund hat in 2000 Jahren viele schlimmere Gefahren erlebt - adaptiert hat es sich immer. Es wird sich auch diesmal adaptieren.

DER STANDARD: Auch wenn das Ihren eigenen Wein wahrscheinlich weniger betrifft: Sehen Sie in der Globalisierung - etwa in der Homogenisierung des Geschmacks - eine Bedrohung für den Burgunder?

de Villaine: Ich glaube viel eher, dass parallel zur Globalisierung auch ein starker Appetit für Weine mit besonderem Geschmack entsteht. Die Idee von Terroir ist in diesem Sinne sehr modern. Der anspruchsvollere Konsument hat heute das Verlangen nach Produkten, die einen starken, natürlichen Ausdruck haben.

DER STANDARD: Würden Sie den Weinbauern der Welt also raten, eher autochthone Reben anzupflanzen als zum Beispiel Pinot noir?

de Villaine (lacht): Sie geben nicht auf, was? Es stimmt schon, dass hier das wahre Problem der Globalisierung liegt. Ich finde es sehr schade, dass man sich in der ganzen Welt so sehr auf die bekannten, etablierten, französischen Reben - wie Pinot, aber auch Cabernet und Chardonnay - konzentriert. Mir fällt da immer das Bild des streunenden Ritters ein, der herrenlos durch die Gegend reitet. Die Welt ist heute voll von solchen streunenden Rittern. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/27/11/2009)