Mit den Essigfliegen habe ich meinen Frieden gemacht - solange sie sich nicht allzu sehr ausbreiten. Die kleinen braunen Fliegen leben im Herbst in der Nähe des Essigtopfs, in dem ich die bei Bierverkostungen anfallenden Bierreste zu einem schmackhaften Bieressig vergäre - und sie schleppen von irgendwo die Gärungsorganismen an, die eben diesen Essig entstehen lassen. Zu viele sollen es halt nicht werden, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Natürlich weiß ich, dass so eine Fliege nicht denken kann. Das können die größeren, viel weniger appetitlichen und ziemlich unsympathischen Schmeißfliegen auch nicht - dachte ich jedenfalls. Bis mir dieser Tage ein Auszug "Aus dem Tagebuch einer Schmeißfliege" untergekommen ist. Sie schildert das Leben auf dem Misthaufen - und wie zuwider es ihr ist, dass sich Artgenossen von Kuhmist ernähren. Wie viel schöner ist es doch, dass es immer irgendwo Leute gibt, die Bier trinken! Im Tagebuch kann man nachvollziehen, wo man als Fliege am besten hinfliegt, um da oder dort ein Tröpfchen zu genießen.

Geschrieben hat das Henning Ahrens - in einem Beitrag für ein neues, sehr unkonventionelles Bierbuch, das vorige Woche im Eichborn-Verlag erschienen ist. Es heißt "Bier, das Buch. Ein kunstvoller Gaumenschmaus" und hält sich nicht lange mit dem auf, was andere Bierbücher gerne lang und breit erzählen. Keine rührselige Geschichte von einer Bäuerin, der der Brotteig zu dünn geraten wäre und die quasi aus Verlegenheit das Bier erfunden hätte (was historischer Forschung ohnehin nicht standhält), auch keine lähmende Verteidigung des ebenso lähmenden Reinheitsgebots, sondern literarische und grafische Liebeserklärungen an das Bier.

Die Fliegenperspektive ist eine besonders originelle, aber auch jene von Marc Höpfner, der das wenig haltbare Bier aus einer kleinen Brauerei in Belgorod als "Ukrainische Medizin" (gegen die Folgen von zu viel Wodka- und Tequila-genuss) beschreibt, ist durchaus originell. Und Herbert Achternbusch fasst seine Bierbeobachtung der Frauenkirche so zusammen: "So gehen die Münchner in der Innenstadt nur aus zwei Gründen ins Wirtshaus. Trinken wir, pflegen sie zu sagen, noch eine Halbe, weil man die Türme nicht sieht. Oder trinken wir noch eine Halbe, weil man die Türme wieder sieht." (Conrad Seidl/Der Standard/rondo/16/10/2009)