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Der Welterfolg folkloristischer und pathetischer irischer Spielmannszüge wie The Dubliners, The Pogues oder U2 wäre ohne das Stout als Unterlage kaum vorstellbar.

Foto: Reuters/Peter Macdiarmid

Das für Menschen mit feinen Geschmacksnerven mehr oder weniger ungenießbare Getränk namens Stout aus der Dubliner Brauerei Guinness sorgte mindestens während der vergangenen 30 Jahre dafür, dass sich die globale gastronomische Landschaft über das Franchise-Konzept radikal änderte. Kaum eine größere Ansiedlung zwischen New York, Paris, Tokio, Sydney und Saigon, Lagos und Johannesburg, Linz und Lunz, in der sich nicht irgendwo in der Innenstadt ein "Irish Pub" ansässig gemacht hätte.

Dort wird die geneigte Kundschaft nicht nur mit hopfenbitterem Stoff in der wenig anheimelnden Farbe Schwarzbraun versorgt, über den sich dicker, milchkaffeefarbener Schaum wölbt, der mit dem doppeldeutigen Begriff undurchdringlich halbwegs passabel beschrieben ist. Dort wird die Menschheit nicht nur mit einer zunehmenden Toleranz gegenüber zu Tode panierten Fischstücken und mit einem Schuss Essig labbrig gemachten frittierten Erdäpfeln aufmunitioniert. Ein Dankeschön an dieser Stelle auch von Cpt. Iglo, der mittelbar ebenfalls auf schwarzbraunen Wogen um die Welt segelt und die Meere leerfischt.

Der Welterfolg pfeifender und flötender irischer Spielmannszüge namens The Dubliners, The Chieftains und modernerer Vertreter folkloristischer und pathetischer Verklärung der trunkenen Welt-umarmung in saftigen irischen Wiesen wie The Pogues, Van Morrison oder Bono und U2 als Soundtrack und Werbeträger in diesen Trinkhütten wäre ohne das Stout als eine das Gemüt zu Tränen rührende Unterlage kaum vorstellbar.

Internationaler Getränke-Multi

250 Jahre ist das ursprünglich in Dublin vergorene Guinness-Bier gerade alt geworden. Im September 1759 unterschrieb Arthur Guinness einen mit 45 Pfund pro Jahr dotierten Pachtvertrag für die heruntergekommene Dubliner Brauerei St. James's Gate und bewies Weitsicht. Der Pachtvertrag wurde damals über neuntausend Jahre abgeschlossen, bald aber ging die Brauerei ohnehin in das Eigentum der Guinness-Erben über. Heute befindet sich die Marke im Besitz eines internationalen Getränke-Multis.

Guinness zählt längst zu den meistkonsumierten alkoholischen Getränken der Welt. Es wird in zig Variationen und heute erheblich alkoholhaltiger als zur Gründerzeit gebraut. Und es veränderte auch die kulturelle Landschaft nachhaltig. So verdankt etwa die oft verklärte irische Trinkerliteratur von James Joyce bis zum früh am Suff verstorbenen Brendan Behan, über den eine irische Zeitung in ihrem Nachruf 1964 schrieb, er sei zu jung zum Sterben und zu betrunken zum Leben gewesen, ihre Bodenhaftung diesem Getränk. Und der Welt blieb so möglicherweise auch manch nicht so ausgereiftes Werk erspart. Bier macht bekanntlich müde. Und Starkbier macht stark müde.

Wahrscheinlich ist es so, dass die Welt mit von Guinness induzierter Literatur, allen voran Werke von James Joyce wie natürlich die Dubliner Pub-Tour-de-Force Ulysses, aber auch Finnegans Wake und Dubliners zwar einige Meisterwerke zu bieten hat, wie aber gerade der in Pubs schreibende Brendan Behan bewies, blieb der Welt der Großteil eines dichterischen Eisbergs erspart. Während seiner letzten Jahre war Behan oft so betrunken, dass das Spätwerk nur noch in Form von Tonbandaufnahmen festgehalten werden konnte. Lass einen Mann an der Bar reden - und er redet sich kaputt.

Galionsfigur Shane MacGowan

Auch bei den Pogues und deren Galionsfigur Shane MacGowan erschließt sich der Reiz des Spätwerks vor allem im gelallten Schweigen. Seitdem der mittlerweile sehr gern auch als musikalischer Stargast auf diversen jährlichen Guinness-Festivals durch das alte Material tippelbrudernde Sänger in einem Vorort von Dublin die Ernährung endgültig von Fest- auf Flüssigform umgestellt und damit einen Großteil seiner Zähne verloren hat, beginnt der romantische Charme einer heroischen Trunksucht langsam abzublättern. Seit Jahren hat der Mann nichts mehr veröffentlicht.

Muss man am Ende also die Theorie vom Guinness, das Flügel macht, auf den Getränkeladen um die Ecke und trauriges Altmännertum stutzen? Der britische Schriftsteller Kingsley Amis kommt in seiner 1972 publizierten und jetzt auf Deutsch wiederveröffentlichten Studie On Drink (Anständig Trinken) zur traurigen Rechercheerkenntnis, dass zwar alle gern übers Trinken schreiben, dabei aber meist den folgenden Kater meinen. Den Rausch kann man nicht beschreiben. Im Rausch ist man rauschig. (Christian Schachinger/Der Standard/rondo/02/10/2009)