Das Schönste am E-Mail-freien Tag ist der Tag danach. Das Schlimmste an der E-Mail-Askese ist der Tag danach.

Foto: Der Standard

+++Pro
Von Roman David-Freihsl

Das Schönste am E-Mail-freien Tag ist der Tag danach – sofern die nachrichtenfreie Zeit in die Verlängerung geht. Das Schlimmste an der E-Mail-Askese ist der Tag danach – sobald man den Computer aufdreht. Dann schwappt er einem entgegen, der Wust all dessen, was man nicht im Mindesten vermisste, aber von dem man letztlich doch nicht lassen kann. Mehr als 1200 Mails nach drei Wochen Urlaub – eine Plage.

Gewiss, ein Gutteil davon ist absolut selbst verschuldet – wie das gute Drittel der Facebook-Benachrichtigungen. Müsste nicht sein, aber man will's trotzdem wissen. Wozu aber diese Mails mit der Verheißung "come like a pornstar"? Oder diese Einladung der "Initiative gesunde Scheide", die jüngst ein "Pressefrühstück" zum "Tabuthema: Scheideninfektion" mit anschließendem "erotischem Stadtspaziergang mit Überraschungsgast Josefine Mutzenbacher" organisierte. Kein Scherz und sicher ein wichtiges Thema. Aber in meinem Fall ein bisserl an der Zielgruppe vorbei.

Braucht man das? Nein. Aber nachlesen will man's doch.

Contra---
Von Ljubisa Tosiæ

An sich ein vertretbarer Ansatz, wenn man der Lehre anhängt, dass eine Abwendung von der Außenwelt zum seelischen Gleichgewicht beiträgt. Dieser Vorschlag greift allerdings zu kurz: 24 Stunden reichen nicht aus, um E-Mail-Entzugserscheinungen so richtig in Fahrt kommen zu lassen – vom Eintreten in einen kontemplativen Zustand, von einer Überwindung etwaiger Info-Süchte gar nicht zu reden. Da müsste schon ein E-Mail-Ramadan verordnet werden. Außerdem: Ein Entzugsprogramm ohne Verbot anderer Kommunikationskanäle (Fax, Telefon, SMS, Rauchzeichen, Taubenpost ...) ist keines. Auch Schummeln mit TV und Radio wäre zu untersagen.

Dann allerdings hätte man, was man sich wünscht: Von der Info-Welt abgeschnitten, würde man sich zwar in einer Situation der Stille wiederfinden. Das Problem: Man träfe sich selbst, wäre gefangen in einer Robinsonade, die bald jene Einsicht zutage fördern würde, die manchen schon in die Gummizelle brachte: Die Hölle – das ist man selbst. (Der Standard/rondo/18/09/2009)