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Laut Statistik des österreichischen Innenministeriums versuchen immer mehr Menschen ihr Glück außerhalb des Gesetzes. Fliegenfischen ist nicht billig. Und wie jeder Belang unseres Lebens ist gerade die Vereinsmeierei strengen Regeln unterworfen.

Laut Statistik des österreichischen Innenministeriums versuchen auch immer mehr Menschen ihr Glück außerhalb des Gesetzes. Fliegenfischen ist nicht billig. Und wie jeder Belang unseres Lebens ist gerade die Vereinsmeierei strengen Regeln unterworfen.

In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde von Protagonisten wie Ernest Hemingway nicht nur das Hochseefischen als Sport der höheren Stände populär gemacht. Parallel zur Weltwirtschaftskrise entwickelte sich damals auch das Fliegenfischen zum gesellschaftlichen Muss. Nicht mehr nur tatterige britische Lords stapften in Wathosen durchs Wasser und überlegten je nach Witterungslage, ob sie als Köder Black oder Silver Doctors mit welcher speziellen Angelschnur auswerfen sollten. Der Rentnersport diente damals bald auch der in der tiefen Krise befindlichen Wirtschaftselite als ideelle Rückversicherung.

Wenn alles schiefgeht, wird das Leben eben wieder "ehrlicher" und "archaischer". Zur Not kann Mann das Essen für die Familie zwar mit einer Büchse auf Großwildjagd in Afrika besorgen. "Eins mit der Natur" ging es damals aber vorwiegend vor der Haustür verstärkt gegen zuvor minderwertige Beutetiere, vor allem Lachse. Mann gegen Fisch, ein scheinbar fairer Wettstreit, bei dem die Gier des Mannes aufgrund der noch größeren Gier des Fisches siegt. Parallelen zur heutigen Zeit lassen sich ziehen.

Das Angeln oder das durchaus artverwandte Suchen von Schwammerln entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten zum Volkssport des kleinen Mannes im besten Alter. Es ging dabei aber weniger um Heldentaten und den schier aussichtslosen Kampf gegen die unüberwindbare Natur als Abhärtung in einer Schule des Scheiterns. Schon Hemingway raunte ja in Der alte Mann und das Meer davon, dass man zwar scheitern könne, aber eben nicht aufgeben dürfe. Geduld und Hartnäckigkeit und die Flucht vor Hektik und Familie und Alltag in trügerische Ruhe und ein unwiederbringliches Leben in der freien Natur waren das Gebot langer ereignisloser Stunden.

Dass sich zu all dem dann drinnen und draußen überfüllte Fischteiche gesellten, an deren Rändern man im Campingsessel mit Freunden nebenbei auch so manches Partyfass leerte, war die gar nicht einmal so ernüchternde Begleiterscheinung. Das Angeln war im Volk angekommen. Und das Volk sagte Prost. Spätestens in den 1970er-Jahren zog der Steckerlfisch kommerziell gesehen mit über das Land verstreuten Ständen sein Unwesen.

Interessanterweise erlebt nun parallel zu ins Kraut schießenden Extremsportarten wie Hochschleppingtouren auf Achttausender für das höhere Management - und überhaupt jede Tollerei im Zusammenhang mit dem Begriff "Survival" vorneweg - das Fliegenfischen wieder Hochsaison. Es gilt als vornehmste Art des Angelns. Eine naturverbundene Auseinandersetzung des Mannes mit seinem Schicksal. Frauen sind traditionell in der Minderzahl. Beim stundenlang im kalten Fluss ohne das Glückserlebnis eines Fangs Stehen, und im Gegensatz zur Party am Fischteich ohne kühle Getränke, gilt eines: Man muss sich selbst ertragen und in Demut üben. Wer zu sportlich ist, um Netze oder Dynamit auszuwerfen, weiß darum: Man hat sich mit unangenehmen Begleiterscheinungen wie Versagen und Niederlage anzufreunden. Immerhin erfordert dieser "Sport" Glück als auch Geschick.

Apropos Geschick. Laut Statistik des österreichischen Innenministeriums versuchen immer mehr Menschen ihr Glück außerhalb des Gesetzes. Fliegenfischen ist nicht billig. Und wie jeder Belang unseres Lebens ist gerade die Vereinsmeierei strengen Regeln unterworfen. Zwar genießen etwa im Österreichischen Fischereiverband organisierte Sportanglerinnen 50 Prozent Ermäßigung. An streng aufgeteilten und vom Zugang her reglementierten heimischen Gewässern. Bei Tageskarten zwischen 30 und 120 Euro kann die Angelegenheit für richtige Männer allerdings keineswegs als billig angesehen werden.

Die erlaubten Fangquoten sind niedrig. Meistens darf man mit nur wenigen Fischen für den "Eigenbedarf" nach Hause gehen. Hierzulande vor allem Forellen, Saiblinge, Äschen. Der Großteil des Fangs muss lebend wieder dem Gewässer übergeben werden. Die Wilderei feiert also fröhliche Urständ. Wie man auf dem Land sagt: Den Wald und den Fluss kann man schlecht absperren. So ziehen etwa im Waldviertel unten am Kamp, dessen Vorzüge der Verfasser dieser Zeilen im Sommer durchaus zu schätzen weiß, wenn nicht gerade Hochwasser droht, pro Tag nicht nur zahlreiche akademische Halbberühmtheiten in voller Anglermontur vorbei - und haben den Griesgram im Gesicht picken.

Macht Angeln unterhalb der Pensionsgrenze eigentlich wirklich Spaß? Auch die Forstaufsichtsbehörde dreht mit Allradantrieb ihre Runden. Schnorren ist besser als Schwarzfischen. Und die guten Leute aus der Sektion Breitensport sind mildtätig. Zitat: "Ums Fischessen geht es schon lange nicht mehr. Wenn ich das haben will, kaufe ich mir die Viecher am Fischteich und spare Geld."

Die Kontrollen sind also scharf. Die Strafen sind, so wie beim Wildern allgemein, drakonisch. Dreitausend Euro aufwärts und bis zu zwei Jahre Haft sollen abschrecken. Die Krise kommt vom globalen Dorf in den Wald und in die Bäche und Flüsse. Ein unvermuteter Wirtschaftssektor versucht übrigens gegenwärtig daraus Gewinn zu ziehen. Wie man vor kurzem der Süddeutschen Zeitung entnehmen durfte, galt einst in den 1920er-Jahren nicht nur Modeschöpferin Coco Chanel als überaus talentierte Fliegenfischerin.

Auch die neue Kollektion des Londoner Designers Giles Deacon, der unter Fliegenfischern in Cumbria aufwuchs, beinhaltet unter anderem ein geschmacklich etwas fragwürdiges Seidenkleid, das mit bedruckten Fliegenfischködern behübscht wurde. Und auch Prada entdeckt für die Winterkollektion 2009/2010 mit bis zu den Oberschenkeln reichenden Watstiefeln die Freuden des harten, ehrlichen Lebens draußen in der Natur.

Eine Laune der Modewelt, die sich nicht durchsetzen dürfte. Wie Tourismusangebote zeigen, scheint die Klientel dafür aber nach wie vor vorhanden zu sein. Heimische Gewässer mögen für das Wochenende taugen. Seriös und standesgemäß lässt es sich allerdings am besten in Alaska, Kanada, Großbritannien und Irland und natürlich in Skandinavien angeln. Das Leben in der Natur hat schließlich seinen Preis. Womit wir wieder bei der Krise wären. Die macht bekanntlich ab und zu einen auf Depression. (Christian Schachinger/DER STANARD/Rondo/14.7.2009)