Der Camping-Idealfall: Rund um den Wohnwagen und nicht in den Sanitäranlagen schaut es aus wie in der Wildnis.

Foto: Caravanpark Sexten

Campingplätze sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Gut so. Denn wer in den späten 1970er-Jahren als Kind in Münzeinwurf-Lauwarmduschen an der Rückseite von Pissoirs mit Teeranstrich stand, verstand nie, wo da die "große Freiheit" lauerte, von der die Eltern so schwärmten. Und danach, in den 1990ern, machten TV-Dokus über das Spießbürgeridyll "Dauercamper" auch nicht unbedingt Lust auf ein Wiedersehen mit Klappbett und Vorzelt.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Um das zu erkennen, sollte man in Sexten "probecampen", in der Früh dann vom Zelt in sein Mietbadezimmer schlurfen - und staunen: So ein Bad stünde manchem Hotel gut zu Gesicht. Nur schafft es eben kein Hotel, seine Gäste mit Vogelgezwitscher, Wildbachrauschen und Morgenfrische so naturnah aufzuwecken, wie das im Schlafsack, auf der Isomatte und im Zelt recht normal ist. Sicher: Dazu braucht man keinen Campingplatz, Wildzelten ist sogar noch billiger. Andererseits: Eine heiße Dusche in der Früh und ein Klo mit Wasserspülung ...

Die Kombination von alledem klingt nach der Quadratur des Kreises. Aber sie ist möglich. Das beweisen Hans Happacher und seine Familie im "Caravanpark Sexten" in Südtirol seit über 30 Jahren so erfolgreich, dass sie in einschlägigen Campingguides die Spitzenplätze aller Platzrankings de facto fix abonniert haben.

Die Zelte sind auf dem Platz im Schatten der mächtigen Drei Zinnen freilich in der Minderheit. Schließlich erfüllen Anschlüsse für Strom, Gas, Frisch- und Abwasser nur in Wohnwägen und Reisemobilen einen Zweck. Doch während derlei und sogar Kabel-TV-Stecker auf den Premium-Plätzen längst Standard sind, verblüfft in Sexten auch das Drumherum: Nicht nur die Mietbadezimmer, auch die kollektiven Waschräume sind weit über dem üblichen Campingplatzniveau.

Während sich andere Plätze damit brüsten, eine passable Cafeteria und ein Planschbecken zu haben, steht hier gleich neben den 250 Stellplätzen auch ein Restaurant, das - gäbe es in Italien diese Klassifikation - Haubenchancen hätte. Überdies findet der Camper hier eine komplette Wellnesslandschaft mit Hallenbad vor - inklusive prasselnden Kaminfeuers auf einer "Halbinsel" und weißen Kiesels am Beckenboden. Olfaktorisch wie zehen-haptisch ein Genuss!

Der Beauty-Camper wandert

Auch wenn viele Camper diese Angebote nutzen, schläft der Großteil jener Menschen, die sich hier Beauty- und andere Behandlungen gönnen, dennoch in den Zimmern und Suiten des "Mountainresorts Patzenfeld", der Hotelanlage direkt am Platz. Die Camper - im Gegensatz zu Wellnesshotelgästen - wollen den Tag eher anders verbringen: mit Wandern, Klettern und Mountainbiken inmitten der Dolomiten ebenso wie mit Tagesausflügen ins 190 Kilometer entfernte Venedig. Oder mit Skifahren.

Dass nämlich nicht nur die Hotelanlage, sondern auch der Campingplatz im Winter geöffnet bleibt, versteht sich von selbst. Zumindest für Menschen, die wissen, wie Camping heute sein kann: Wer den Schritt vom Hotelzimmer zurück zum (doch deutlich kostengünstigeren) Campingurlaub einmal testen will, der kann in einem der "Mietcaravans" (mit Zentralheizung) zum Probecamper werden. Oder etwas ganz anderes ausprobieren: etwa ein paar Tage in einem Luxus-Baumhaus verbringen. Mit Klo, Badewanne und allen - nein, besser ohne jede - Schikanen. Baumhäuser sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Aber das wäre eine andere Geschichte. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Printausgabe/27./28.6.2009)