Sportmode, die man auch auf der Straße tragen möchte.

Das ist das Konzept von Hussein Chalayan für Puma.

Foto: Hersteller

Die Zusammenarbeit mit Designern hat bei Puma lange Tradition.

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Alexander McQueen hat eine Kollektion, auch Mihara Yasuhiro und Philippe Starck. Kreativdirektor ist jetzt Hussein Chalayan.

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Julia Grosse traf den außergewöhnlichen Modemacher zum Gespräch.

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DER STANDARD: Ihre Kollektionen wirken oft sehr intellektuell. Wie emotional arbeiten Sie?

Chalayan: Ich bin ein gefühlsgeladener Designer, aber auch ein linearer, klarer Denker. Meine Vorgehensweise ist immer ähnlich: Ich beginne sehr emotional und werde dann immer rationaler. Ich finde das eine gute Reihenfolge. Denn ehrlich: Wenn alles in der Welt auf der rein emotionalen Ebene funktionierte, würden wir kaum etwas umsetzen. Leider!

DER STANDARD: Sie sind seit kurzem Kreativdirektor bei Puma. Hat Ihnen Ihr neuer Job neue Freiheiten beschert?

Chalayan: Unbedingt, ich habe das Team in meiner eigenen Firma aufgestockt. Das hat viel Struktur und ein wenig Entspannung gebracht. Ich muss nicht mehr ständig auf die Bank rennen oder andere administrative Dinge regeln. Ich kann mich ganz der kreativen Arbeit widmen. Aber ich zahle auch den Preis, denn nun gehen 50 Prozent meiner Zeit in die Arbeit bei Puma ...

DER STANDARD: Wie viel Ihres eigenen Stils können Sie bei Puma umsetzen?

Chalayan: Unsere Mode und die Designansätze sind ganz unterschiedlich. Aber das macht es spannend. Genau deswegen hat mich Puma geholt. Ich versehe Pumas Sport-Streetstyle mit meiner Handschrift. Pumas Klientel ist eher jünger, meine tendenziell älter, es ist eine interessante Zusammenarbeit.

DER STANDARD: Was reizt Sie an Sportbekleidung?

Chalayan: Das Wichtigste ist die Funktionalität der Kleidung. Die Bewegung des Trägers muss erleichtert und gefördert werden. Dazu gehören Dinge wie die Atmungsaktivität des Stoffes. Ich bin fasziniert von der Frage, wie man diese rein funktionalen Aspekte in etwas Hybrides verwandeln kann. Ich will, dass man ein Sportblouson gerne beim Training trägt, aber es anschließend auch im Café überziehen kann, ohne sich wie ein Depp im Jogginganzug zu fühlen.

DER STANDARD: An was für eine Art Hybridität denken Sie?

Chalayan: Auf jeden Fall nicht an Jacken mit verlängerbaren Teilen oder abnehmbaren Ärmeln, das finde ich banal und erwartbar. Ich denke an besondere Stoffe, Materialien, die in einer ganz bestimmten Weise atmen und dadurch beispielsweise keinen Schweißgeruch aufnehmen. Auch was Schnitte und Formen anbelangt, fallen mir viele Zugänge ein. Der wichtigste Aspekt bleibt aber, dass ich Sportkleidung für urbane Menschen entwerfen will, die darin reisen, feiern oder arbeiten können.

DER STANDARD: Mithilfe von Pumas Know-how entwickeln Sie derzeit für Ihr eigenes Label Turnschuhe. Wollen Sie raus aus der Avantgarde-Nische?

Chalayan: Das ist keine Kooperation, die Schuhe werden unter "Hussein Chalayan" auf den Markt kommen. Und ja, natürlich will ich mit der Marke Hussein Chalayan mehr Leute erreichen, weshalb es in Zukunft auch mehr Accessoires geben wird, unter anderem Taschen.

DER STANDARD: Werden Sie sich in Zukunft auch mehr auf Männermode konzentrieren?

Chalayan: Bestimmt, im Moment geht aber meine ganze Energie in meine Frauenkollektion. Diese beiden Bereiche zu mischen ist höchst kompliziert. Es sind zwei völlig verschiedene Bereiche.

DER STANDARD: Sie haben Ihren Männermodegeschmack einmal als "klassisch" beschrieben ...

Chalayan: Wenn ich klassisch sage, meine ich dezent und ohne viel Ornamente und Details. Ich mag es, wenn Männer sich minimalistisch kleiden, das sieht einfach cool aus. Das soll nicht heißen, dass ich junge Japaner in verrückten Kreationen nicht fantastisch finde. Sie sind lebendige Manga-Comic-Helden. Doch mein Stil ist das nicht. Der ist eher reduziert, nicht zuletzt, weil mir bunte, verrückte Sachen gar nicht stehen würden.

DER STANDARD: Sie tragen jetzt gerade einen dunklen Wollpullover, ein Hemd und dunkle Jeans. Tragen Sie eigentlich nur Designermode?

Chalayan: Ich habe lange vor allem meine eigenen Entwürfe getragen. Aber mittlerweile habe ich schon ein paar Designer im Schrank, Martin Margielas Pullis zum Beispiel. Marken selbst sind mir aber nicht so wichtig, Hauptsache, Schnitt und Farbe haben eine gewisse Klarheit. Männermode von Balenciaga zum Beispiel ist mir viel zu designed.

DER STANDARD: Sie arbeiten vor allem mit Aspekten und Ideen aus der Wissenschaft, aus der Architektur oder Kunst. Kaum mit historischen Modezitaten. Warum?

Chalayan: Ich habe mit historischen Kostümen gearbeitet, allerdings nie als historisierende Relikte, sondern als Referenz. Zitate aus der Modegeschichte funktionieren für mich nur, wenn ich einen komplett neuen Zugang zu diesen schaffen kann. Wenn es nur darum geht, die großen alten Roben aus der Vergangenheit zu feiern, ist das leider nichts für mich.

DER STANDARD: Schon als Modestudent am Central Saint Martins College in London sah man Sie angeblich stets mit Sackerln voller Bücher unterm Arm. Warum sind Sie eigentlich Designer geworden und nicht Chemiker, Architekt oder Philosoph?

Chalayan: Was bringt es mir, als Architekt zu arbeiten? Gerade, indem ich all meine Interessen mische und sie als Designer in Beziehung zum menschlichen Körper setze, wird das Ganze doch erst richtig spannend. (Julia Grosse/Der Standard/rondo/20/03/2009)