Designer Antoine Cahen.

Foto: Les Ateliers du Nord

Das neue Modell "Citiz" ist schmal und hoch - und lässt an Wolkenkratzer denken. Entworfen hat es Antoine Cahen.

Foto: Les Ateliers du Nord

Der Standard: Herr Cahen, was trinken Sie lieber, Kaffee oder Tee?

Antoine Cahen: Ganz ehrlich? Ich trinke lieber Tee. Gern mag ich nur kleinen, starken Espresso, wie in italienischen Bars. Aber den bekommt man in der Schweiz schwer. Gut, nach dem Essen trinke ich auch Kaffee. Aber ich wäre wohl kein typischer Kunde für Nespresso-Maschinen.

Der Standard: Dafür entwerfen Sie diese schon seit 1992. Warum sind Kaffeemaschinen eigentlich oft so wuchtige, hässliche Dinger?

Cahen: Einige sind schon ästhetisch. Offenbar gibt es aber kulturelle Differenzen: In Deutschland zum Beispiel, wo sie wenig Ahnung haben von Kaffee, mag man vollautomatische Maschinen, die seriös wirken. Auf dieses Bedürfnis wollen wir eine andere Antwort finden als nur eine große, schwarze Box. Wir arbeiten an neuen Materialien, gehen zurück zu den echten: mehr Metall, weniger Plastik. Ich kämpfe gegen die Tendenz klobiger, vollautomatischer Kaffeemaschinen an. Die Leute sollen nicht nur auf den Knopf "Cappuccino" drücken, sie sollen sich mit der Maschine beschäftigen.

Der Standard: Was bringt uns das?

Cahen: Die Kapsel in die Maschine einzustecken ist wie bei diesem Kinderspiel mit der Truhe, bei dem Kinder geometrische Formen durch die entsprechenden Öffnungen im Deckel stecken. Es geht um das Spielerische, das haucht der Maschine Leben ein. Aber versuchen Sie einmal, in Spanien die kompakten Kaffeemaschinen für zu Hause zu verkaufen: keine Chance!

Der Standard: Weil man dort Espresso in der Bar trinkt?

Cahen: Ja, und wenn sich Spanier Kaffee selbst zubereiten, nehmen sie die Bialetti. Die steht auch bei mir auf dem Herd.

Der Standard: Aha! Was mögen Sie an ihr?

Cahen: Für mich hat die Bialetti eine mythische Form, diese acht Ecken ... Sie ist nicht schön, aber ich würde kein anderes Design wollen. Es ist wie ein Mythos, der in uns eingebrannt ist. Ich mag ihre Schlichtheit, und auch wenn wir für Nespresso nicht so minimalistisch entwerfen können - schließlich ist die Technologie viel komplizierter -, wollen wir in diese Richtung gehen. Die nächste Maschine könnte noch reduzierter, noch minimalistischer als die jetzige sein, eine Maschine mit 40 Prozent weniger Teilen.

Der Standard: Das klingt nach einer Herausforderung.

Cahen: Stimmt, aber ich arbeite lieber an dem 2CV, der Ente, als am Rolls-Royce. Luxus ist simpel: Du kannst einfach alles hinzufügen. Du hast genug Geld, du kannst Gold beifügen, Holz - aber daraus entsteht keine gute Performance. Wenn du weniger hast, musst du smart sein. Weniger Geld macht intelligent.

Der Standard: Das Gute an Kaffeemaschinen wie den Ihrigen ist: Sie ermöglichen zu Hause den Genuss eines Kaffees wie in der Bar. Das weniger Gute: Die Alukapseln für den Kaffee machen uns ein schlechtes Gewissen.

Cahen: Aluminium ist eines der am besten recyclebaren Materialien ...

Der Standard: Wenn es denn wiederverwendet wird. Im Inneren der Maschine verborgen gilt für die Kapseln ja erst einmal: aus den Augen, aus dem Sinn.

Cahen: Aber nur so lange, bis Sie den Abfall entleeren! Die Bedienerfreundlichkeit der Kaffeemaschinen macht es schon sehr leicht, die Kapseln zu recyclen, in der Schweiz gibt es für diese sogar Sammelstellen. Nachhaltigkeit betrifft mittlerweile die Kaffeemaschinen selbst: Heute denken wir bei jedem Teil an seine Wiederverwertung - das verkompliziert unsere Arbeit. Jetzt hat man nicht nur das Problem, etwas zu designen, sondern muss auch noch daran denken, wie man es recycelt. Wir versuchen zum Beispiel, aus altem Kaffee neue Plastikmaterialien zu erzeugen. Das klappt zwar noch nicht, weist aber in eine spannende Richtung.

Der Standard: Wird es nicht langsam langweilig, immer wieder Kaffeemaschinen zu entwerfen?

Cahen: Nein, aus einem Grund nicht: Sehr bald am Anfang meiner Zusammenarbeit mit Nespresso konnte ich sie davon überzeugen, eine andere Designrichtung einzuschlagen, als damals üblich war, andere Entwürfe durchzusetzen als diese typischen vollautomatischen Maschinen. Die Firma akzeptierte und übernahm die Risiken, das ist eine Riesenchance für einen Designer.

Der Standard: Das ist doch normal im Designbetrieb?

Cahen: Stimmt, heute ist es das. Vor fast 20 Jahren aber war es schon sehr ungewöhnlich. Und mit dieser Freiheit ließ sich weiterarbeiten. Gut, vielleicht bin ich mittlerweile ein Gefangener dieses Vertrauens. Ich sehe es aber als fantastische Gelegenheit, ein Produkt über einen langen Zeitraum weiterzuführen. Einmal ist keinmal, beim nächsten Versuch lässt sich immer noch etwas verbessern.

Der Standard: Sie hassen das Wort Stil, hörte ich.

Cahen: Stil hängt mit Styling zusammen, das ist für jemanden, der etwas dekoriert - aber nicht die Arbeit eines Designers. Ich gehe mit immer derselben Haltung an ein Problem heran. Ich mag klares Design, nicht kompliziert, zugleich darf es nicht zu perfekt sein. Deshalb füge ich etwas hinzu, eine Art Seele, eine Persönlichkeit. Gutes Design spricht mit dem Benutzer. Um bei der Kaffeemaschine zu bleiben: Sie muss so entworfen sein, dass sie ohne Handbuch zu bedienen ist. Du siehst sie, und du willst sie anfassen.

Der Standard: Das neue Nespresso-Modell, die "Citiz", gibt es in drei Versionen, eine davon als Doppelmodell mit zwei Ausgüssen. Erinnert sehr an die New Yorker Twin Towers. Ist das eine, nun ja, gute Assoziation?

Cahen: Sie ist naheliegend, in unserem Atelier haben wir die "Citiz double" auch so genannt. Die Türme sind ja keine schlechte Konnotation, der Anschlag ist es. Aber hinter dem architektonisch wirkenden Design steckt etwas anderes: die Idee der Modularität. Denn ursprünglich wollten wir eine Maschine entwerfen, bei der man den Rumpf kaufen und auf verschiedene Unterteile setzen kann. Das wäre aber zu teuer und zu kompliziert geworden. Doch die modulare Idee haben wir jetzt beibehalten: Das eine Modell ist dreifach kombinierbar - und ich als Designer kann auf das Konzept aufbauen, es weiterentwickeln.

Der Standard: Die Nespresso-Club-Mitglieder, heißt es, verlangten nach dieser Art der Maschine, die zwei Tassen Kaffee gleichzeitig befüllen kann. War diese explizite Forderung für Sie als Designer annehmbar?

Cahen: Ehrlich gesagt hielt ich es für eine seltsame Idee. Denn zwei Ausgüsse verleihen der Maschine einen professionellen Touch - ganz so, als wäre sie für Bars oder Restaurants vorgesehen. Aber der gute Trick war ja eben die Modularität der "Citiz". So konnten wir ohne große Mehrkosten eine Maschine mit doppeltem Ausguss entwickeln, weil wir ja die Basis für zwei angelegt hatten. Zwei komplett unterschiedliche Maschinen zu designen, wäre natürlich vollkommener Unsinn gewesen. (Mareike Müller/Der Standard/rondo/06/03/2009)