Die Schönheit von Prag wird von den Touristen meist leider links liegen gelassen.

Foto: Tschechien Tourismus
Foto: Tschechien Tourismus

Dazu gehört das Imperial Hotel, wie diese Ansichtssache zeigt.

Foto: Imperial Hotel

Nein, heute wird im Café und Restaurant Imperial nicht mehr mit Krapfen geschmissen, sagt Blanka Nováková. Es ist aber noch gar nicht so lange her, dass es im beeindruckenden Jugendstilambiente des riesigen Saals etwas weniger zivilisiert zuging als heute. Da konnte man sich eine große Schüssel Krapfen bestellen, die dann nicht immer nur im Magen landeten, sondern für die legendären Donut-Schlachten als harmlose Wurfgeschosse zweckentfremdet wurden.

Bis vor ein paar Jahren war das heutige Art Deco Imperial Hotel in der Prager Innenstadt, dem das Café-Restaurant angeschlossen ist, nämlich eine Jugendherberge. Und entsprechend turbulent ging es in dem etwas heruntergekommenen Restaurant mit seinem eigentlich denkmalgeschützten Interieur zu.

Doch das war gestern. 2007 nämlich wurde die Generalrenovierung des 1914 erbauten Jugendstiljuwels in Angriff genommen, wie Blanka Nováková erzählt. Aus der Jugendherberge wurde in zweijähriger Arbeit ein Luxushotel, dessen ursprünglicher Zustand von 1914 weitgehend wiederhergestellt wurde. Zum Teil sogar in Zusammenarbeit mit Firmen, die schon damals für die auch leicht ägyptisch-mediterran angehauchte Innenarchitektur sorgten, für die verzierte Mosaikdecke der Eingangshalle zum Beispiel oder das prächtige Stiegenhaus.

Das Art Deco Imperial Hotel ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich Prag zwei Jahrzehnte nach der Wende als Touristenmetropole immer noch weiterentwickelt. Freilich nicht immer in die richtige Richtung. In den vergangenen fünf Jahren hat sich in der 1,2-Mio.-Einwohner-Stadt, die seit Jahresbeginn auch "EU-Hauptstadt" ist, das Zimmerangebot von 300 auf 600 Hotels verdoppelt; was zwar die Preise sinken ließ, aber nicht unbedingt dem Flair der Goldenen Stadt gutgetan hat.

Entlang der am stärksten frequentierten Touristentrampelpfade durch die Altstadt reiht sich längst ein Bohemian-Crystal-Shop an den nächsten Souvenirladen. Und dazwischen sorgen hunderte von gasbetriebenen Wärmepilzen in den auch nicht eben stilsicheren Straßenrestaurants schon im Winter mikroklimatisch für Prager Frühlingstemperaturen.

Am Wenzelsplatz und anderen Geschäftsstraßen der Fußgängerzone ist das lokale Gepräge - so wie in vielen anderen Großstadtzentren - den uniformierten Shops der Weltmarken von H & M über Nike bis Zara gewichen. Auf der Karlsbrücke von der Altstadt hinüber zum Hradschin herrschen zumindest am Wochenende buchstäblich Stoßzeiten. Und oben auf der Burg wird für das Betreten des Goldmachergässchens, wo Franz Kafka die eine oder andere seiner Erzählungen schrieb, mittlerweile Eintritt verlangt, um die Touristenströme einigermaßen zu kanalisieren.

Dabei gäbe es im Prag so viel innere Schönheit zu entdecken, die von den Touristenmassen zudem meist eher links liegen gelassen wird. Zum Beispiel die rund 50 mehr oder weniger versteckten Einkaufspassagen, die rund um den Wenzelsplatz die Atmosphäre von Paris um 1900 aufkommen lassen. Eine der schönsten, die Lucerna-Passage im gleichnamigen Palast, wurde von 1912 bis 1916 von Václav Havel, dem Großvater des langjährigen Staatspräsidenten, errichtet. Besonders spektakulär: Das riesige, verkehrt herum aufgehängte Pferd, mit dem am Bauch thronenden Reiter des zeitgenössischen Künstlers David Cerný.

Hauptstadt der Kaffeehauskultur

Das Lucerna-Café ebenda im ersten Stock ist nur eines der zahlreichen Kaffeehäuser Prags, die es ohne Weiteres mit jenen Wiens aufnehmen können. So viel goldene Jugendstilpracht wie im Café des Repräsentationshauses findet man auch in der ehemaligen k. u. k. Reichshauptstadt nicht. Und auch das Mehlspeisenangebot des Café Obecní dum - so heißt der Prachtbau auf Tschechisch - braucht keine Vergleiche zu fürchten.

Das sind aber beileibe nicht die einzigen Prager Kaffeehausklassiker mit grandiosem Jugendstilambiente: Das Café im Grand Hotel Evropa oder das im Louvre können in Sachen Ausstattung ohne weiteres mithalten.

Am 1997 wiedereröffneten Café Slavia und seiner frisch verchromten Atmosphäre scheiden sich die Geister. Der Blick hinaus auf die Moldau, die Burg und die Karlsbrücke ist und bleibt natürlich einzigartig. Ein absolutes Unikum und zugleich noch ein Geheimtipp ist das 2005 wiedereröffnete Grand Café Orient: Jugendstil oder Art déco gibt es nicht nur in Prag zuhauf. Doch ein bis hin zum Geschirr kubistisch durchdesigntes Kaffeehaus ist nicht nur in Prag, sondern weltweit einzigartig. Mit Krapfen wird dort leider auch nicht geschmissen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD/Rondo/9.1.2009)