Au ja, Karaoke! Im Senkoma werden schalldichte Boxen installiert. Bis dahin kann man im Tatami-Raum die japanische Form der Selbstdemütigung üben.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wenn man so singen kann wie die Mitglieder manch ehemaliger Bundesregierung, ist es schon verlockend, das Gaumenzapferl vor Publikum zum Vibrieren zu bringen. Andere singen unter der Dusche. Oder, wie die beispielhaft diskreten Japaner, in eigenen, hermetisch abgedichteten Räumen, aus denen kein Misston nach außen dringt. Karaoke hat schon was (dass am Ende Starmania rauskommt, konnten die Japaner ja nicht ahnen). Wo sonst darf aus ganzer Kehle gejodelt werden, ohne dass Unbeteiligte zu Schaden kommen? Jetzt gibt es erstmals auch die original japanische Variante in Wien zu buchen.

Toshiko Hayashibara, die am Albertinaplatz mit dem Yugetsu eines der wenigen japanischen Restaurants der Stadt führt, hat sich des ehemaligen Guess Clubs beim Karlsplatz angenommen, um ein Karaoke-Lokal nach Tokioter Vorbild zu schaffen. Die Idee, die problematische Location (hier ging bislang alles daneben) mit Karaoke-Boxen aufzutunen, macht durchaus Sinn. Die Speisen sind passend zum Sing-mit-Gedanken bewusst volkstümlich gehalten: Diverse alkoholfreundliche Snacks ("Tsumami"), Rámen-Nudelsuppen, Donburi-Reisschüsseln, Yakitori-Spieße und Karé - die japanische Version des via England importierten Curry - wollen nicht mehr als eine gute Unterlage für jene Dosis Sake oder Shou-shou (der etwas stärkere Gersten-"Schnaps") sein, die als Ölung für Stimmbänder und zum Abschwemmen lästiger Rückstände von Selbstachtung unverzichtbar ist.

Entäußern im Tatami-Raum

Die Maschinen samt Sofware für 40000 japanische (die meisten Gäste sind Expat-Japaner) und, immerhin, 20000 englischsprachige Songs sind bereits eingetroffen. Im Keller gibt es zwei größere Räume für Karaoke-Partys mit bis zu 50 Teilnehmern, im Obergeschoß werden bis zum Frühjahr vier schalldichte Boxen installiert, wo man sich in Kleingruppen niedersingen kann. Bis es soweit ist, darf man sich im Tatami-Raum (Achtung auf die Socken!) relativ ungeniert entäußern - ist zwar nicht schalldicht, dafür betreten die Kellner den Raum nur, wenn sie via Fernbedienung gerufen werden. Wie cool ist das, bitte.

Beim Essen beschränkt man sich am Besten auf die Snacks (besonders gut: "Senkoma-Toast" mit hausgemachter Garnelen-Hendl-Paste), die Suppen und Spieße. Karé kennt man in Wien bislang noch wenig, der Reiz dieser japanischen Curry-Abwandlung mit dicklicher, eher dumpfer Sauce erschließt sich dem Außenstehenden auch nicht so ohne Weiteres. Jedoch: Die Variante Katsukaré besteht aus einem knusprig panierten, in Streifen geschnittenen Schnitzel, das in der braunen Soße schwimmend serviert wird - so was darf in Wien allemal als Sensation beäugt werden. Es ist durchaus nicht unvernünftig dazu Sake in ganzen Flaschen zu bestellen: Der gibt mehr aus, außerdem wird er in duftende Nadelholz-Kistln ausgeschenkt und macht auch nach der zweiten Flasche kein Kopfweh. Außerdem will man gewisse Songs (Angie!) bei vollem Bewusstsein ohnehin weder singen noch hören müssen.(Severin Corti/Der Standard/rondo/28/11/2008)