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Da wir aber, wie Sie wissen, gärtnerischen Experimenten nie abgeneigt sind und Essenwegwerfen blöd und sündig ist, wurden diese Topinambur-Mumien an verschiedenen Stellen im Garten eingebuddelt.

Foto: APA/dpa/Michael Hanschke

Im vergangenen Frühling erwarb Ihr Grünzeug im Supermarkt eine kleine Packung mit Topinamburknollen, die allerdings im Kühlschrank verschrumpelten, bevor sie verkocht werden konnten. Denn merke: Topinambur verschrumpelt gar schnell.

Da wir aber, wie Sie wissen, gärtnerischen Experimenten nie abgeneigt sind und Essenwegwerfen blöd und sündig ist, wurden diese Topinambur-Mumien an verschiedenen Stellen im Garten eingebuddelt. Man kann ja nie wissen. Wenn schon tausende Jahre alten Dattelkernen erwiesenermaßen noch Keimkraft innewohnt, warum nicht auch wenige Tage alten Indianerknollen? Hoffnung ist immer - und sie trog auch diesmal nicht. Der Topinambur trieb sofort aus, und zwar sowohl im Gemüsegarten als auch entlang dem Zaun und in dem, was wir gerne das struppigere Blumenbeet nennen. Er trieb sogar ganz gewaltig aus und erreichte schließlich im Hochsommer eine nicht einmal von den Sonnenblumen einholbare Höhe von guten drei Metern.

Mit Letzteren ist der Helianthus tuberosus, der auch noch Erdbirne und Erdartischocke genannt wird und völlig fälschlicherweise gerne mit der Süßkartoffel verwechselt wird, übrigens nahe verwandt. Doch während die Sonnenblume schmackhafte Kerne wirft, die niemandem etwas zuleide tun, entwickelt der Topinambur Knollen, die es wahrhaftig in sich haben.

Miniatursonnenblumenblüten

Doch schildern wir zuerst die Ernte. Sie fand erwartungsvoll und erst im November statt, da die Pflanze spät blüht und dabei mit ihren vielen Miniatursonnenblumenblüten recht schön ausschaut. Es war moralisch unmöglich, sie vorschnell zu köpfen. Die Ernte erfolgte nach dem letzten Regen mittels kräftigen beidhändigen Rupfens an den Stängeln, wodurch sich folgendes offenbarte: Die mickrigen, dürren Knöllchen des Frühlings hatte sich zu gewaltigen, in sich verwundenen Wurzelknollenstöcken verbreitert. Der gefällte Topinambur schaute, wie er so dalag, wie ein vom Sturm entwurzelter und gefällter Baum aus. Und diese Wurzeln wollten wir selbstverständlich sofort verkosten.

Ein Süppchen wurde daraus bereitet, das sämiger nicht hätte sein können, und da die Wurzelknollen, wie berichtet, viele und große waren, lud man die Nachbarn als Gäste zum Topinamburfestmahl ein. Es schmeckte allen, Teller wurden geleert, man ging wieder auseinander.

Im Laufe der folgenden Tage wurden allerlei Gerüchte verbreitet: von schwerem Bauchdrücken und Leibschmerzen, die all jene befallen hätten, die der Suppe zugesprochen hatten. Er habe sich, berichtete der ungenierteste unter den Nachbarn, sicherheitshalber in den Wald begeben, woselbst er die Winde der Flatulenz habe zwanglos und unbeobachtet fahren lassen können. Wie eine Treibjagd habe das geklungen und sei sehr befreiend gewesen. Dem Topinambur stünde man aber fürderhin doch skeptisch gegenüber. Das ist nicht erforderlich. Denn unerwünschte Wirkungen und Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte dem Tipp. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/21/11/2008)