Mejillones - also Miesmuscheln - sind eines der Meerestiere, die in Galicien aus dem Wasser geholt werden.

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Küste bei La Coruñ.

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Die Männer sind mit Neoprenanzügen, Gelenksschutz und Stöcken ausgerüstet. Sie seilen sich an den schroffen Felsen ab, direkt in die Gischt der heranrollenden Wellen und stechen dabei Entenmuscheln vom Fels. Diese sind fast fingerdick mit verbreiterten Enden und erinnern an Zehen urzeitlicher Tiere. Sie fühlen sich aufgeraut an wie Entenfüße, ihre feste Außenhaut verbirgt ein wohlschmeckendes Inneres. Die besten kommen von den schroffen Klippen der Rías Altas westlich von La Coruña. Angeboten werden sie in ganz Galicien und in so manchem Spezialitätenmarkt außerhalb der Provinz. Gegart in Salzwasser, mit gekochten Kartoffeln als Beilage, zählen sie zu den bekanntesten Spezialitäten.

Meeresgetier sollte man mögen, wenn man den weiten Weg nach Galicien am nordwestlichsten Ende Spaniens auf sich nimmt. Denn um Fischerei dreht sich hier vieles, immerhin brandet der Atlantik wuchtig gleich an zwei Seiten der annähernd als Quadrat zu sehenden nordwestlichsten spanischen Provinz. Die Küstenabschnitte entlang der Atlantikküste, beginnend westlich von La Coruña nach Süden verlaufend, heißen Rías Altas, Costa da Morte und Rías Baixas. Ausladende, kilometerlange Sandstrände wird man wenige finden, dafür tiefe, fast fjordartige Einschnitte, schroffe Felsen, viele Inseln und Halbinseln. Ría bezeichnet die geologische Situation: Es sind Flussmündungen, deren Böden eingebrochen sind. Das Salzwasser des Meeres vermischt sich hier mit dem Süßwasser des Flusses und ergibt eine Brackwassersituation, in der sämtliche Arten von Muscheln und Meeresgetier ganz besonders gut gedeihen. Fisch, Austern, Mies-, Jakobs-, Venus- und Herzmuscheln, Seespinnen und Ähnliches erreichen hier dank eines besonders planktonreichen Wassers außergewöhnliche Qualität.

Durch die einfache Art der Zubereitung, über Dampf gegart, gegrillt, gekocht, ohne großartige Verbrämung mit aufwändigen Saucen oder komplizierten Beilagen, wird der Eigengeschmack der Meeresfrüchte betont. Pulpo a la Gallega steht dabei als Pars für das Toto der galicischen Art der Fischaufbereitung: Der Tintenfisch wird gekocht, in Stücke geschnitten, mit Paprikapulver, Meersalz bestreut, mit Olivenöl beträufelt und warm serviert. Mehr ist gar nicht notwendig.

Nicht nur das Wasser sorgt für die Besucher Galiciens. Die Kulturhochburg Santiago de Compostela liegt keine 60 Kilometer entfernt, und zahlreiche Klöster, Kirchen, Burgen finden sich im Land verteilt. Diese Ecke Spaniens, geografisch wie politisch vom Rest des Landes immer etwas abgeschottet, ist tiefgrün, mit dichten Wäldern, wildromantischen Flusstälern wie jenem des Sil und Bergen, die im Hinterland auf 2000 Meter Höhe ansteigen.

Rías Baixas wird auch als Weinbaugebiet immer besser und auch anerkannter. Die hier entstehenden Weißweine aus Rebsorten wie Albariño oder Godello ergeben aromatische Weine, die nach Holunderblüten und Jasmin duften und trotz südlicher Provenienz durch viel Säure frisch und duftig daherkommen. Und sie passen ausgezeichnet zu allem, was man hier so aus dem Wasser holt.

Um Tourismus, Fischerei und Wein zu verbinden, wurde die Ruta do Viño Rías Baixas gegründet, unter deren Dach unterschiedlichste Tourismuseinrichtungen und die Fischerei zusammenarbeiten. Kooperiert wird mit den Einrichtungen des Turismo Rural: wenige, dafür komfortabel eingerichtete Zimmer, die oft auf Weingütern untergebracht sind. Nicht zuletzt das Tankerunglück der "Prestige" im Jahr 2002 hat dazu beigetragen zu erkennen, dass die Fischerei in diesem Landstrich nachhaltiger werden muss. Das versucht man zu erreichen, indem die kleinteiligen familiären Strukturen in den Fischerorten gegen den industriellen Fischfang unterstützt werden. Zum Beispiel mit dem Programm "Mar de Lira": Dabei begleitet man Fischer bei der Arbeit auf den Muschelplattformen, die im Ría de Arousa wie Schwimmpontons im Wasser liegen. Die Muscheln wachsen hier an Tauen und werden, sobald sie reif sind, "gepflückt" - wesentlich einfacher jedenfalls als Entenmuscheln. (Luzia Schrampf/DER STANDARD/Rondo/14.11.2008)