Foto: Sascha Aumüller

Die Städtekombination mit zwei Tagen in London und zwei in Brüssel funktioniert besonders gut von Donnerstag bis Sonntag. Low-Cost-Airlines wie Air Berlin treffen früh von Wien in London-Stansted ein (gegen 10.50 Uhr), mit dem relativ teuren Expresszug erreicht man die Liverpool Street Station in etwa 45 Minuten. 

Der Eurostar verkehrt neunmal täglich in beiden Richtungen zwischen London (St. Pancras Station) und Brüssel (Gare du Midi). Tarifauskunft und Buchung am einfachsten über Rail Tours Austria (www.railtours.at). Die Airline Sky Europe setzt ihren Rückflug von Brüssel nach Wien erst um 20.20 Uhr an.

Foto: Crowne Placa

Das Hotel Crowne Plaza Shoreditch ist deshalb empfehlenswert, weil es als eines der wenigen direkt im Viertel liegt und auch zu Fuß von der Liverpool Street Station erreichbar ist. Bei direkter Buchung über die Crowne-Plaza-Homepage gibt es oft Ermäßigungen. Die Standortwahl beim Hotel ist im kleineren Brüssel weniger wichtig.

Foto: The Dominian

Das neue Designhotel The Dominican, ein ehemaliges Dominikanerkloster direkt hinter der Oper, ist eine relativ teure, aber hervorragende Wahl. Rail Tours Austria bietet seit kurzem in beiden Städten stylishe Hotelalternativen an, die Häuser in London sind vergleichsweise günstig.

Für die schnelle Erkundung von Shoreditch eignet sich die "Art Map East London" perfekt. Die Umgebungskarte ist mit aktuellen Veranstaltungstipps versehen und liegt in vielen Hotels (so auch im Crowne Plaza) kostenlos auf.

Für den angenehm klein gehaltenen Guide "Brüssel - meine Hauptstadt, meine europäischen Viertel" wird zwar eine Schutzgebühr von vier Euro verlangt, er ist aber sehr gut gemacht und mit ausklappbaren Karten der einzelnen Viertel versehen. Das Matonge-Viertel findet man darin als Teil des Saint Boniface erwähnt. Zu beziehen ist das Büchlein in den Fremdenverkehrsämtern (bereits am Flughafen oder auf dem Großen Markt).

Wollen Sie wissen, was Stress ist? Die Wahl des richtigen Souvenirs in der Brick Lane. Denn wem soll man es womit recht machen? Jenen gutinformierten Zuhausegebliebenen, die behaupten, in dieser Gegend kauft die moderne Bangladescherin ihren Sari ein? Oder doch denen, die sich sicher sind, dass dort Frau Beckham super Fetzen findet? Beide haben recht, und damit hört der Stress zwischen dem Modern Saree Centre auf der einen Straßenseite und dem Streetwear-Shop The Laden auf der anderen auch schon wieder auf.

Besser noch: In Wirklichkeit hat er bei der Anreise gar nicht erst begonnen. Denn von dem für seine Lage oft verfluchten Flughafen der Billig-Airlines, London Stansted, erreicht man im Eiltempo die Liverpool Street Station. Die wiederum ist bereits das Portal zu jenem Szeneviertel in Shoreditch, das sich stolz auch "Banglatown", Stadt der Bangladescher, nennt.

Das mit den "Szenevierteln" ist aber so eine Sache. Shoreditch ist das angeblich seit 20 Jahren, hat in dieser Zeit seine Immobilienpreise verhundertfacht und dennoch eines geschafft: Es ist immer auch ein "authentisches" Einwandererviertel geblieben. So kann der Architekt Norman Foster dort ruhig die sündteure Kantine (The Canteen) einrichten, ohne dadurch gleich die Currybuden der Bangladescher in den Ruin zu treiben.

Ganz ähnlich verhält es sich mit den Kreativen: Damien Hirst wurde mit dem Verkauf seines Formaldehyd-Hais zu einem der bestdotierten lebenden Künstler, aber er wird immer ein "Kumpel aus dem Viertel" bleiben. Das ist schon deshalb so, weil die Ausstellungsfläche des mitunter auch seinem Werk gewidmeten White Cube am Hoxton Square immer noch jenen jungen Wilden gewidmet ist, die mit dieser Arbeit schlecht verdienen.

Von vier entspannten Tagen - also ohne Shopping und Galerienbesuche - war die Rede. Gut, denn Shoreditch ist netterweise auch jenes Viertel, wo London so wie München glaubt, man sei die "nördlichste Stadt Italiens". Beim Espresso stimmt's schon mal: In den Cafés rund um den Spitalfields Market ist er ausgezeichnet und dabei noch günstig. Noch klarer ist die Tendenz zur Mediterranisierung daran abzulesen, dass hier eine nicht gerade britische Erfindung spät im Jahr noch Hochbetrieb verzeichnet: Gastgärten. Eingerichtet wurden sie erst in letzter Zeit und überall dort, wo die Akteure des Viertels schon ein anderes Leben hinter sich haben: etwa auf dem Gelände der stillgelegten Truman's Brauerei oder vor einem knallroten ausrangierten Doppeldeckerbus, der schon lange nicht mehr fahren darf.

Der flinke "Eurostar" darf wieder fahren. Seit dem Brand im Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal, der eine aufwändige Renovierung nach sich zog, sogar noch etwas häufiger. Neunmal täglich kann der Tapetenwechsel zwischen London und Brüssel seit letztem Monat erfolgen - nur etwas mehr als zwei Stunden dauert er.

Wer sich nun in Kinshasa wähnt, hat die gute Orientierung nicht komplett verloren. Denn das Brüsseler Matonge wurde tatsächlich nach dem Viertel benannt, das auch in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo existiert. Ein klar umrissenes Dreieck zwischen den Chaussées de Wavre und d'Ixelles formt es mit der Rue de la Paix - und man geht direkt darauf zu, so man aus der U-Bahn-Station Porte de Namur kommt.

Voreilige werden dem Viertel am Anfang der Straße vorwerfen, sich kaum von den anderen in dieser Stadt zu unterscheiden. Zu vertraut wirken hier die für Brüssel so typischen, herrlich altvaterischen Einkaufspassagen mit dem beruhigend cremefarbenen Bodenbelag, wo dauergewellte Beamtinnen den Pepi für den Gatten kaufen.

Erst einmal reingehen - am besten zum Friseur - und im "Afro-Look" wieder rauskommen. Hinter der biederen Fassade verbirgt sich die komplette Infrastruktur einer kongolesischen Community, die hier bereits seit den 1950er-Jahren lebt: Die bunten Stoffe, das Holzspielzeug und die Musikinstrumente, auf denen man nicht gleich auf den ersten Blick das Label "Made in China" erspäht, kommen vielleicht wirklich aus Afrika. Die Haare in den Friseurläden, welche sich ordentlich, also schön abwechselnd zwischen die Handyshops mischen, werden einem jedenfalls tatsächlich noch so geschnitten, wie es der EU-Norm nie und nimmer entspricht.

Dass man mit dem Matonge ein Revier betritt, das sich erfolgreich den Konventionen anderer Szeneviertel entzieht und so belgisch-kongolesisch ist wie Londons Shoreditch britisch-bangladeschisch, dafür spricht einiges: zuallererst die Tatsache, dass man dort auch wieder ein urbelgisches Lokal eröffnen wollte. Gegenüber der Kirche Saint Boniface, die schon lange verhüllt ist, weil man sie in einem Trendviertel nicht mehr braucht oder auch nur weil sie gerade renoviert wird, befindet sich das Restaurant Belgo Belge. Ein bei aller Bedachtheit auf publikumswirksamen Style sehr gemütliches Bistro, das Nachbarn wie dem afrikanischen Lokal Mandibule ebenso wenig anzuhaben vermag wie eine Foster'sche Kantine in Shoreditch.

Bei den andern Nachbarn, den Bewohnern des Marollen-Viertels, gibt's am Sonntag oft den multikulturellen Soundtrack dazu. Die berüchtigt-begeisterten belgischen Vereinsmeier ziehen hier gerne mit Blasmusikkapellen durch die Straßen und spielen schon hie und da einmal Santana auf der Tuba. (Sascha Aumüller/DER STANDARD/Printausgabe/11./12.10.2008)