Schreibtisch "Genua" von "heim*städte"

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Ein Objekt aus der Kollektion von Röthlisberger

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Der "Privatsekretär" von Meike Rüssler

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"Pom's" von Ligne Roset

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"Zelos" von Classicon

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Im Zeitalter der Digitalisierung braucht ihn eigentlich kein Mensch, den Sekretär. Denn die moderne Lebensweise besteht darin, Informationen überall zu empfangen und weiterzuverarbeiten. Und doch wohnt dem privaten Schreibmöbel mit seinen mechanischen Klappen und Deckeln, seinen Geheimfächern, seinem potenziell gewichtigen Inhalt und seinem verschlossenen Äußeren ein gewisser Zauber inne.

Gefragt sind mittlerweile nicht mehr nur die Wohnlandschaften und Beglückungskonzepte vergangener Jahre, gefragt sind Möbel, die sich unterschiedlichen Lebens- und Wohnsituationen anpassen und dabei einen gewissen mentalen Mehrwert versprechen. Und zu diesen Möbeln gehört eben auch der Sekretär. Er hat das Zeug dazu, das Bedürfnis zu wecken, einfach wieder einmal einen Brief per Hand zu schreiben. Ob das dann auch geschieht, ist weniger wichtig.

Die neuen Sekretäre versuchen, anders als ihre Vorläufer, höchst beiläufig aufzutreten. "Ein guter Gedanke braucht wenig Platz", heißt es etwa bei Classicon. Für das Münchner Unternehmen, dessen Kollektion aus historischen und zeitgenössischen Einzelstücken besteht, hat Designer Christoph Böninger den Sekretär "Zelos" entworfen. Der Korpus von "Zelos" besteht aus Eiche oder ist mit schwarzem Hochglanzlack versehen. Das Gestell ist aus Stahl, schwarz pulverbeschichtet oder verchromt. Entscheidend aber ist das kleine Ritual, mit dem die Deckel von "Zelos" nach beiden Seiten aufgeklappt werden: Dadurch gibt das Modell sein Innerstes preis, verbreitert sich von 60 auf 120 Zentimeter.

Geheimfach für Ladegeräte

Für Ligne Roset kreierte die Pariserin Julie Pilgersdorffer "Pom's", und die Tischlerin und Architektin Bettina Döhner aus Leipzig baute für ihre Massivholzkollektion "heim*städte" den Schreibtisch "Genua" mit eingelassenen Vertiefungen für Schreibutensilien.

Auf zusätzlichen Stauraum und beeindruckende Beschläge verzichtet "Pom's", dessen Deckel von einem seitlichen Lederriemen gehalten vorn hochgeklappt wird. "Genua" ist der einfachste der drei charmanten Sekretäre und besteht aus massiver Eiche, aus Nussbaum oder Kirsche und Edelstahl.

Nun wäre ein moderner Sekretär einfach nur ein Möbel von gestern, würde er nicht wenigstens in gewissem Maße auf die Bedürfnisse von Laptop-Nutzern eingehen. Geheimfächer brauchen die modernen Nachfahren der Biedermeier-Sekretäre vor allem dafür, um Ladegeräte und Stromkabel unauffällig zu verstauen.

Meike Rüssler hat dazu viele Gedanken angestellt - und das "Schreibmöbel für den Wohnraum" gar zum Thema ihrer Diplomarbeit an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel gemacht. Ihr Entwurf namens "Privatsekretär" geht über die heute bereits lieferbaren Modelle hinaus und soll demnächst bei einem namhaften Hersteller in Serie gehen.

Lifestyle habe an den Designhochschulen Hochkonjunktur, sagt Rüsslers Lehrbeauftragter Dieter Zimmer. Objekte zu entwerfen, mit denen man telefonieren, surfen und mailen kann, seien Spitzenreiter unter studentischen Entwurfsthemen. Der "Privatsekretär" von Rüssler jedoch verbinde Handwerklichkeit und Hightech auf sympathische Weise. Von historischen Sekretären fasziniert, wollte die Designerin einen "funktionalen Schreibplatz" schaffen, der zugleich ein "Ort der Ruhe und Konzentration" ist.

Verwandlung des Möbels

Da sie sich ausführlich über Kabelführung und Unterbringung von Netz- und Ladeteilen Gedanken gemacht hat, wird ihr Schreibtisch zugleich zur Dockingstation für verschiedenste elektronische Kleingeräte. Wichtig war Rüssler, durch Materialwahl und Verarbeitung "Erbstückqualität" zu erreichen. Zugleich sollte ihr Möbel in unterschiedlichsten Wohnraumsituationen funktionieren.

Die Schreibfläche des "Privatsekretärs" ist sehr viel größer als die von "Zelos", "Pom's" und "Genua". Und auch sonst hat er einige Fragen gelöst, die von seinen kompakten Geschwistern aufgeworfen werden. Der Tischkorpus enthält neben Schubkästen für Schreibutensilien ein gut zugängliches und schön verstecktes Technikfach mit integrierten Steckdosen. Für die richtige Beleuchtung hat die Designerin eine integrierte, bewegliche LED-Leuchte konzipiert.

Auch ihr Entwurf spielt mit der Verwandlung des Möbels, sobald man seinen Deckel zu- oder aufklappt. Statt Holz verwendet sie für die partielle Abdeckung des Tisches eine Doppelschale aus Aluminium, in die Carbonfedern und Gummikehdern eingelassen sind. All dies sind keine studentischen Flausen, sondern am Modell erprobte Ideen. Der Sekretär, so scheint es, hat im Zeitalter des Personal Assistant einen neuen Job gefunden. (Thomas Edelmann/Der Standard/rondo/10/10/2008)