Ein rustikales Landhaus-Ambiente...

Foto: Gerhard Wasserbauer

...als Bühne für Didi Dorners ungemein feinnervige Kochkunst.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Für einen, dessen Werk am Teller so pur und kompromisslos daherkommt wie das von Didi Dorner, ist das neue Restaurant samt kleinem Hotel, das der Ausnahmekoch (drei Hauben, ein Michelin-Stern) sich gebaut hat, seltsam unpersönlich geworden. Um nicht zu sagen: altvaterisch.

Dorner, der schon mal nackt für ein Branchenmagazin posiert, schlecht erzogene Gäste ohne viel Aufhebens (zumindest seinerseits) vor die Tür setzt und mit seinen grellorangen Dreiviertelhosen samt Hirschhornknöpfen das Image des Unangepassten pflegt, hat sich in Stainach ein Landhaus im Nostalgie-Stil hingestellt. Mit einem Innenhof, der von einer beweglichen Glaskonstruktion überdacht wird, mit Eichendekor und Teppichboden satt und jeder Menge Messing-Wandleuchten aus dem Stilmöbelkatalog.

Minimalistische Hochküche

Das scheint nicht ganz zu Dorner zu passen. Der Mann, der seine Speisekarten denkbar schnörkellos formuliert ("Loup de Mer, Olivenpesto & Püree"), eine minimalistische, aber auch klassische Hochküche französischer Prägung zelebriert und den Rungis-Express-Kühlwagen mit den feinen Sachen aus Paris bis zu viermal die Woche vorfahren lässt, sieht das freilich anders:

"Das Haus ist genau so, wie ich selber auch bin - behäbig, konservativ, meinetwegen altvaterisch. Und in zwei Jahren soll es auch so aussehen, als ob es schon immer da gestanden wäre." Denn derzeit, so Dorner, könne er den wilden Hund, als der er gelte, vielleicht noch einigermaßen glaubhaft raushängen lassen, "aber wie schaut's in 30 Jahren aus, wenn ich gebückt und gebeugt immer noch durch dieses, mein Haus humpeln muss?"

Mit Feingefühl zusammengefügt

Man kann also sagen: Didi Dorner ist angekommen. Und: Spätestens, wenn der erste Gang serviert wird, ist es ziemlich schnurz, wie genehm einem das Interieur im Detail ist. Weil da plötzlich Essen zu Tisch kommt, das in seiner Stringenz und Reduktion auf wenige, mit Feingefühl zusammengefügte Elemente wahrhaftig Glückseligkeit in konsumierbarer Form verheißt - und zwar fast ohne Unterbrechung, Gang um Gang!

Eine Jakobsmuschel etwa. Zart knusprig (ansonsten aber kaum gegart), mit zwei Orangenfilets und Basilikum oben drauf, in einer Sauce aus Buttermilch - scheinbar ein schlichtes Gericht. Tatsächlich aber ein virtuoses Zusammenspiel widerstrebender Elemente: die fruchtige Säure der Orange, die Milchsäure der Sauce, die parfümierte Süße des Krauts und die mineralische der Muschel. Das schmeckt, auf einen Saucenlöffel gepackt, geradezu verstörend gut.

Sündhafte Cremigkeit

Oder das "OEuf florentine nouveau", mit dem Dorner eine Neuinterpretation des US-Frühstück-Klassikers "Eggs Florentine" wagt: Dafür pochiert er das Ei eine Stunde bei 62 Grad zu sündhaft dickflüssiger Cremigkeit, um es dann auf gehackten Spinat und buttersatte Hollandaise zu betten und mit einem schmalen Band naturbelassener Bratensauce zu umkränzen - irre gut, oder besser: richtig geil.

Oder "Europäischer Hummer, Kakao & Safran", wo zarte Hummerteile unter einem mit Kakao angereicherten Nudelblatt - kaum mehr als ein zarter, aromatischer Schleier - zu liegen kommen und von leichter Safransauce umspült werden. Für Dorner "eine logische Kombination", weil Kakao und Safran sich im Hummer selbst als "natürliche Aromakomponenten" fänden, die er mit diesem Gericht nur besonders akzentuiere. Ist ja interessant, kann man da nur sagen. Und: danke. Denn es schmeckt gewaltig.(Severin Corti/Der Standard/rondo/26/09/2008)