Jennifer Hudson: Restroom. Zeitgenössisches Toilettendesign, erschienen bei avedition; Euro 40,10

Foto: avedition

Geschichten und Fotos der schrillen Örtchen finden sich nun zwischen zwei Buchdeckeln.

******

Die wahrhaftigsten Rückzugsorte spornen den Menschen schon seit dem Altertum zu Erfindungen und Verbesserungen an. Die ältesten jemals ausgegrabenen Toiletten finden sich auf den Orkney-Inseln und sind rund 4800 Jahre alt. Und im Königspalast von Knossos auf Kreta weisen archäologische Funde darauf hin, dass dort bereits 2000 vor Christus eine Wasserspülung existierte.

In ihrem Buch "Restroom. Zeitgenössisches Toilettendesign" heftet sich die Autorin Jennifer Hudson nun auf die Spur der ausgefallensten Entwürfe. Doch bevor sie sich den Clubs und Bars, den Hotels und Shops der Gegenwart widmet, gräbt sie noch etwas tiefer im Fundus der skurrilen Geschichten über das stille Örtchen. Die tägliche Morgentoilette von König Ludwig XIV habe demnach bis zu einer Stunde gedauert. Pikante Aufgabe der Diener war es, am Ende des Zeremoniells das königliche Hinterteil mit Wolle und Spitze zu säubern.

Latrinengespräche

"Zwar war das Wasserklosett bereits 1589 von John Harrington entwickelt worden", schreibt Hudson, "doch erst mit der Erfindung des S-förmigen Abflussrohres durch Alexander Cummings im Jahr 1775 waren alle Bestandteile der Toilette mit WC-Spülung komplett." Somit waren auch die Latrinengespräche von anno dazumal Geschichte, als man in Gesellschaft ganz ohne räumliche Abtrennung sein Geschäft verrichtete und sich dabei auch noch unterhielt. Je professioneller die Sanitäreinrichtungen wurden, desto tabuisierter gestaltete sich der Gang aufs Klo. Heute endet der meist auf einem kümmerlichen Quadratmeter hinter versperrter Tür.

Und dennoch kann man sich auch auf so geringer Fläche einer ungewöhnlichen Gestaltung erfreuen. Jennifer Hudson porträtiert luxuriöse Toiletten-Anlagen in London und Paris, in denen man sich je nach Bedürfnis für kürzere oder längere Zeit einnisten kann. Sogar Fön und Haarglätter werden angeboten. Der japanische Architekt Tadao Ando wiederum setzt auf absoluten Minimalismus, wenn er in der New Yorker Bar Marimoto seine Gäste im Bedürfnisfalle ans Ende des Lokals führt. Über der High-Tech-Toilette mitsamt Dusche und Deodorantanlage schwebt ein Orchideen-Zweiglein, das eine lange Reise in die unendliche Verspiegelung der WC-Kabine antritt. Die 45 Toiletten sind in dem Bildband mit textlicher Begleitung zu sehen, zum Teil sind sie recht spartanisch, mitunter wird wie erwähnt echt dick aufgetragen - beispielsweise im VIP-Bereich des China-white in London oder im Bon Moskau. Letzteres bekam eine Toilette von Philippe Starck verpasst. Gülden reckt und streckt sich der Messingschwan, der Wasser ins Handwaschbecken speit. Sehr edel, sehr trashig. Aber auf jeden Fall mal etwas anderes. (woj/Der Standard/rondo/12/09/2008)