Klassiker "Tara" aus dem Jahre 1992. Hier in seiner "Black Edition".

Foto: Hersteller

"Klassiker sind keine Vorbilder", stellt Gerda Breuer fest. "Sie sind Antiquitäten." Breuer, Professorin für Kunst- und Designgeschichte an der Bergischen Universität Wuppertal, diskutierte zum Thema Klassiker mit Designer Stefan Diez, Autorin und Creative Consultant Sophie Lovell sowie dem Künstler Tobias Rehberger im Rahmen der ersten "Dornbracht Conversations" in Iserlohn, dem Firmensitz des Armaturenherstellers.

Aber was ist ein moderner Klassiker überhaupt? Schon bei der Definition der Merkmale eines Klassikers taten sich die Teilnehmer schwer. "Wenn sich etwas anfühlt, als ob es schon einmal dagewesen wäre", versucht sich Tobias Rehberger an einer Beschreibung. Sein Zugang zum Thema lässt einen Blick auf sein künstlerisches Werk deutlicher werden: Für eine Ausstellung in Kamerun ließ Rehberger afrikanische Handwerker berühmte Sitzmöbel der Moderne nach seinen Gedächtnisskizzen nachbauen. Heraus kam ein Marcel-Breuer-Stuhl aus Abflussrohren und Ziegenleder und ein Max-Bill-Hocker mit vier Beinen statt mit drei. Der Klassiker also als umgeleitete Quelle der Inspiration.

Für Gerda Breuer, Autorin des Buches "Die Erfindung des modernen Klassikers", ist ebendiese Erinnerung - auch wenn sie noch so diffus ist - zusammen mit Emotionen wichtiger Bestandteil des Klassikers. Sie versucht dies anhand des New Beetle von VW zu verdeutlichen: Dieser habe mit dem Käfer und dessen Ursprüngen und Werten nicht mehr viel gemein. Er werde dennoch gekauft, weil er die Erinnerung an ein legendäres Auto aufrechterhalte und vom klugen Marketing als Nachfolger desselben positioniert wurde.

Fixpunkte im Leben

Sophie Lovell, die am Chelsea College of Art Design studierte und für die Life-stylefibel Wallpaper in die Tasten haut, fügt den Bestandteilen Erinnerung und Emotion eine "Ankerfunktion" hinzu: "Man kann sich daran festhalten, sie stellen Fixpunkte im Leben dar."

Zukunftsrelevanter als die Definitionsversuche war dann die Frage, welchen Einfluss die Klassiker auf den Gestaltungsprozess haben. Breuer etwa meinte, "Wer sich an einem Klassiker orientiert, läuft Gefahr, keine eigene Kreativität zu entwickeln."

Auch der vielgepriesene Designer Stefan Diez sieht im Klassiker in erster Linie einen Stolperstein. "Hat man Angst, etwas Neues zu probieren?", fragt der Münchner in die Runde. Ihm sei klar, dass ein Gestalter nicht einfach so tun könne, als ob es beispielsweise die Stahlrohrmöbel namhafter Gestalter wie Marcel Breuer, Mart Stam oder Mies van der Rohe niemals gegeben hätte.

Er setze sich mit dem Thema Klassiker erst dann auseinander, wenn er es mit einem Traditions-Unternehmen zu tun habe - etwa mit Thonet. Für den Sesselproduzenten hat Diez den Stuhl 404 entworfen. Aber selbst dafür habe er sich nicht von den zahlreichen klassischen Sitzmöbeln der Firma vereinnahmen lassen. Geht es nach ihm, "sollte man den jungen Firmenchefs die Klassiker wegnehmen, durch die sie viel zu gut über die Runden kommen". Ein Klassiker ist laut Diez eine sichere Bank, was den kommerziellen Erfolg anlangt, "aus dem heraus beginnt das Unternehmen, das Risiko zu scheuen".

Einen Klassiker verändert man nicht

Und wie geht eine Firma wie Dornbracht ganz konkret mit dem Phänomen Klassiker um? Zumal der Armaturenhersteller mit "Tara" - einer Einlochbatterie mit schwenkbarem Rohrauslauf und Kreuzgriffen, 1992 von Dieter Sieger entworfen - ein sehr taugliches Beispiel für einen Designklassiker in seiner Kollektion hat.

Die Antwort: Einen Klassiker verändert man nicht. Man verfeinert ihn. Und so durfte heuer der Junior Michael Sieger ran an Tara. Das Update des väterlichen Entwurfs fällt dem unbedarften Auge kaum auf: "Leicht erkennbar sind die Veränderungen nicht", gibt der Designer zu, "es war Teil der Aufgabe, diese gar nicht weiter durch Designdetails hervorzuheben." Der Betrachter solle die Armatur als etwas leichter und feiner empfinden. "Wir haben rasch gemerkt, dass es um Veränderungen im Bereich von Millimetern gehen würde, beim Griff um Zehntelmillimeter."

Schließlich sei die Tara "das erfolgreichste Produkt, das Dornbracht bislang auf den Markt gebracht hat", wie Geschäftsführer Andreas Dornbracht sagt. Er deutet damit auf einen wichtigen Punkt, der bereits von Diez angesprochen wurde: Kommerzieller Erfolg scheint ein weiteres nicht ganz unwichtiges Merkmal eines Produkts auf dem Weg zum anerkannten Klassiker zu sein. Schließlich ist gutes Design längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dennoch, das weiß Michael Sieger, "macht letztlich der Markt den Klassiker - nicht der Designer und nicht der Hersteller." (Markus Böhm/Der Standard/rondo/29/08/2008)