Das Netzwerk eines Homepage-Ministers

Grafik: DER STANDARD
Durch die Homepage- Affäre von Finanzminister Karl-Heinz Grasser rückt nun die Auftragsvergabe zur Neugestaltung der Ministeriums- website in den Mittelpunkt des Interesses. Das Finanzministerium bestreitet alle Inkorrektheiten. Der 50.000-Euro- Auftrag sei November 2000 nach einem "objektiven EU- weiten zweistufigen" Verfahren vergeben worden. Als Sieger des Verfahrens kristallisierte sich die Firma FirstInEx heraus, die kurz darauf auch mit Grassers privater Homepage beauftragt wurde.

Die YLine-Tochter war erst im April 2000 gegründet worden und hatte im Bereich Homepage-Erstellung keine Vorerfahrungen oder Referenzprojekte vorzuweisen. Der heutige FirstInEx-Chef Christoph Oßberger sagte am Montag zum STANDARD: "Wir waren definitiv keine Web- Agentur, sondern die erste Business-to-Business-Plattform für die Versicherungswirtschaft." Die Opposition und Oßberger vermuten, dass die Beziehung Grassers zum damaligen FirstInEx-Chef Dieter Jandl die Auftragsvergabe begünstigt haben könnte.

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Wien - Den 12. Juni 2003 wird Finanzminister Karl-Heinz Grasser wohl nicht so schnell vergessen. An diesem Tag rutschte ihm bei einer Parlamentsdebatte über die üppigen Beraterhonorare des Ministeriums erstmals die Finanzierung seiner "privaten" Homepage durch private "Sponsoren" heraus.

Was vom Minister offensichtlich als Rechtfertigung und Beleg für seine sparsame Amtsführung gedacht war, entpuppte sich in der Folgezeit als veritabler Skandal. Seit geraumer Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft, und nun schaltet sich – zum Missfallen der ÖVP und zur Freude der FPÖ – auch der Rechnungshof ein.

www.bmf.gv.at

Neben der umstrittenen Finanzierung der "privaten" KHG-Homepage – samt Ausbleiben jedweder Steuerleistung – erscheint jedoch auch die zeitlich nahe öffentliche Auftragsvergabe zur Neugestaltung der Ministeriumshomepage (www.bmf.gv.at) aufklärungsbedürftig.

Gewonnen hat diesen 50.000-Euro-Auftrag im November 2000 ausgerechnet jene YLine-Tochter FirstInEx, die Anfang 2001 auch als erster Generalunternehmer mit der privaten Homepage beauftragt wurde. Detail am Rande: Die Vorarbeiten zur privaten KHG-Homepage waren im November 2000 bereits voll im Gange, wie der heutige FirstInEx-Chef Christoph Oßberger dem STANDARD bestätigt. Offiziell gegründet wurde der Grasser-nahe Homepageverein (zur "Förderung der New Economy") freilich erst am 31. März 2001 – 24 Tage bevor die erste Zuwendung über 174.400 Euro der Industriellenvereinigung (IV) einlangte.

Doch zurück zum Internetauftritt des Finanzministeriums: Aus Sicht des Steuerzahlers hinterfragenswert erscheint, dass FirstInEx erst im April 2000 als Abspaltung der Internetcompany Yline gegründet worden war und schon sieben Monate später den öffentlichen Homepage- Auftrag bekam.

Über das damalige Know- how der Firma sagt Oßberger heute: "Wir waren definitiv keine Webagentur, sondern die erste Business-to-Business-Plattform für die Versicherungswirtschaft."

Dazu kommt: Firmen, die regelmäßig um öffentliche Aufträge buhlen, berichteten dem STANDARD über die "normalerweise" strengen Auswahlkriterien. Bei FirstInEx wurden diese vom Ministerium sehr großzügig ausgelegt.

So seien, um bei einer öffentlichen Ausschreibung durch die Vorauswahl zu kommen, häufig drei positive Jahresabschlüsse sowie entsprechende Referenzprojekte nachzuweisen, heißt es aus so manchem Unternehmen.

Von einer positiven Bilanz der FirstInEx konnte im Rumpfgeschäftsjahr 2000 jedoch keine Rede sein. Im Gegenteil: Schon Mitte 2001 soll FirstInEx laut Grassers Kabinettschef Matthias Winkler derart marod gewesen sein, dass man den Auftrag für die KHG-Homepage entziehen musste. Oßberger hat gegen diese Darstellungsweise wie berichtet Rufschädigungsklage eingebracht. Die FirstInEx- Halbjahresbilanz 2001 sei bereits positiv gewesen.

Winkler als baldiges "Bauernopfer"

Winkler – der nach Informationen aus ÖVP-Kreisen schon demnächst für seinen Chef als "Bauernopfer" werde herhalten müssen – war dem Vernehmen nach selbst Mitglied jener Kommission, die den ministeriellen Homepage-Auftrag an FirstInEx vergab. Und Winkler beharrt auf der völligen Korrektheit der öffentlichen Auftragsvergabe.

Es sei für den Homepage- Relaunch ein "objektives EU- weites zweistufiges Vergabeverfahren" durchgeführt worden. Danach seien neun Anbieter in die engere Auswahl gekommen, die "aufgrund ihrer Größe und Spezialisierung im Bereich Multimedia und Webgestaltung ausreichend Erfahrung mit vergleichbaren Internetprojekten vorweisen konnten". Welche Referenzprojekte das waren, kann FirstInEx nicht sagen. Im Kronehit-Radio sagte Winkler am Montag zum Vorwurf der "Freunderlwirtschaft" im Umfeld von Minister Grasser: "Das sind nicht Freunde. Das sind Experten."

Zur Erinnerung: Grasser selbst war bis Dezember 2000 Aktionär des FirstInEx-Mehrheitseigentümers Yline und mit dem damaligen FirstInEx- Chef Dieter Jandl seit der gemeinsamen Schulzeit eng befreundet. Auch Grassers Vater Karl war wie berichtet bis Mitte 2001 FirstInEx-Aktionär. Gehalten wurden seine 3200 Anteilsscheine vom Treuhänder und FirstInEx-Anwalt Stephan Medwed, ebenfalls ein Schulfreund Grassers.

Unbekannte Aktionäre

Medwed selbst, dessen Schwester Katharina auch bei FirstInEx arbeitete, hielt laut einer dem STANDARD vorliegenden Aufstellung seiner Treugeber 200 FirstInEx-Aktien. Neben Grasser senior trat Medwed für vier weitere Aktionäre als Treuhänder auf. Bis auf Grassers Vater hielt jeder von ihnen je 200 Aktien.

Stutzig macht, dass Medwed im Juni 2001 plötzlich 29.850 FirstInEx-Aktien hielt und diese gegen YLine-Aktien eintauschte. Für wen Medwed diese Aktien verwaltete oder ob sie ihm selbst gehörten – immerhin ein Paket im Nennwert von rund 600.000 Euro –, ist nicht bekannt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2004)