Bild nicht mehr verfügbar.

Minenwarnung in Afghanistan.

Foto: EPA/AFPI/ROB ELLIOTTLIOTT
Bis zum 25. Februar 2003 führte Yan Lay aus Kambodscha ein glückliches Leben. Die Familie mit den sieben Kindern war ihr Stolz. Sie war wieder schwanger, im dritten Monat. An diesem Tag ging die Mutter Holz holen. Auf dem Weg nach Hause trat sie auf eine Landmine: Die Waffe riss der Frau beide Beine weg.

Yan Lay wurde eines von 371 Minenopfern, die aus ihrem Heimatland allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2003 gemeldet wurden. Insgesamt, so lauten die Schätzungen der "Internationalen Kampagne gegen Minen" (ICBL), werden jedes Jahr 15.000 bis 20.000 Menschen durch die gut versteckten Killerapparate verletzt, verstümmelt oder getötet. In den Jahren 2002 bis 2003 forderten die Waffen in jedem dritten Land der Erde ihre Opfer. In der Mehrzahl der Staaten herrscht Frieden.

"Anti-Personen-Minen zerstören immer noch die Leben zu vieler unschuldiger Menschen", sagt Jody Williams, die Botschafterin der ICBL. Als Gründungsmitglied und treibende Kraft der ICBL erhielt Williams 1997 zusammen mit ihrer Organisation den Friedensnobelpreis. Ohne ihren Einsatz wäre die Internationale Konvention zum Verbot des Gebrauchs, der Lagerung, der Produktion und der Verbreitung von Anti-Personen-Minen 1997 wohl nicht zustande gekommen.

Inzwischen sind 141 Länder dem Vertrag, der so genannten Ottawa-Konvention, beigetreten: Das Dokument gilt nicht für alle Minen, Panzerminen etwa fallen nicht unter die Ächtung. Diese Woche treffen sich in Genf die Vertragsstaaten: Der "Gipfel für einen minenfreie Welt", der Ende des Jahres in Nairobi abgehalten wird, soll vorbereitet werden. "Nairobi wird der wichtigste Meilenstein seit der Verabschiedung der Ottawa-Konvention", sagt der österreichische UN-Botschafter in Genf, Wolfgang Petritsch.

Obwohl weltweit bereits 50 Millionen Anti-Personen-Minen (APM) gemäß Ottawa-Vertrag zerstört wurden und der Handel praktisch zum Erliegen gekommen ist, gelten immer noch 14 Staaten als Produzenten der Tötungsmaschinen. "Es ist nicht klar, wie viele Minen zuletzt hergestellt wurden", schreiben die Autoren des Landminen-Berichts 2003. Fest steht aber, dass unter den Produzenten die drei führenden globalen Militärmächte sind: die USA, Russland und China.

Alle drei wollen der Ottawa- Konvention nicht beitreten. Die chinesische Volksbefreiungsarmee hat ihre Arsenale noch mit 110 Millionen APM bestückt. Die Russen horten 50 Millionen APM, und die Amerikaner 10,4 Millionen. Immerhin: Die US-Streitkräfte haben seit der militärischen Befreiung Kuwaits 1991 die Waffen nicht mehr eingesetzt. Allerdings: Laut Landminen-Bericht 2003 deponierten die Amerikaner vor der Invasion des Iraks 2003 aber rund 90.000 Minen in der Golfregion – für den möglichen Einsatz. Mindestens sechs andere Regierungen befahlen in der Zeit von 2002 bis 2003 den Einsatz von Minen – Indien, der Irak unter Saddam Hussein, Myanmar, Nepal, Pakistan und Russland.

"Moskau setzt noch immer die heimtückischen Waffen im Krieg in Tschetschenien ein", klagt ICBL-Botschafterin Williams. Nach ihren Angaben beharrt die russische Führung darauf, dass Minen "ein nötiges Element der Verteidigungsfähigkeit" sind. Kopfzerbrechen bereiten den Aktivisten und Diplomaten auch die so genannten nicht staatlichen Akteure. Rebellengruppen und Freischärler verbreiten mit APM rund um die Welt Angst und Schrecken. Beispiel Kolumbien: Nach dem Landminen-Bericht 2003 setzen die großen Guerillaverbände die Waffen flächendeckend ein: "Aus Kolumbien wurden 2002 rund 530 Opfer berichtet, somit hat sich deren Zahl seit 2001 verdoppelt." Dennoch überwiegt heute der Optimismus. Insgesamt ist das Ziel, die Welt von Minen zu befreien, in den vergangenen Jahren näher gerückt. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2004)