Österreich
Italien: "Das ist Beihilfe zum Selbstmord"
Lebhafte Diskussionen um Zwangsbehandlung einer Frau in Mailand
Der Fall einer Frau, die lieber ihren Tod als die Amputation
des rechten Fusses in Kauf nimmt, entzweit die
italienische Öffentlichkeit. Das Leben der 62-jährigen,
die an einer Gangräne im rechten Fuß leidet, kann nach
Ansicht der Ärzte nur durch eine rasche Amputation gerettet
werden. Doch die Frau hat das San Paolo-Krankenhaus
in Mailand verlassen und hält sich bei einer Schwester
in Sizilien auf. "Wir konnten sie nicht daran hindern".
erklärte der zuständige Chefarzt. "Ein Eingriff gegen
ihren Willen ist nicht erlaubt." Gesundheitsminister
Girolamo Sirchia stellte sich hinter die Ärzte und
berief sich dabei auf die italienische Verfassung,
die für jede ärztliche Behandlung das Einverständnis
des Patienten voraussetzt. Der Mailänder Staatsanwalt
Manlio Minale hat den Bürgermeister aufgefordert, eine in
seinem Ermessen liegende Zwangsbehandlung anzuordnen.
Der Verbraucherschutz drohte dem Bürgermeister
mit einer Anzeige wegen "Behilfe zum Selbstmord".
Die Stadträtin für Soziales, Tiziana Maiolo hat ihre
Bereitschaft bekundet, die entsprechende Verordnung
zu unterzeichnen:"Die Weigerung muß als
Selbstmordversuch verhindert werden." Dagegen
lehnte der Vorsitzende des "Patienten-Tribunals"
Stefano Inglese die Zwangsbehandlung als "autoritären
Akt" ab. Nach Überzeugung der Ärzte kann die
Frau, die nach einem Gutachten "psychisch voll
zurechnungsfähig ist", ohne Amputation nur wenige
Tage überleben. Der Fall hat in den Medien eine
leidenschaftliche Diskussion zwischen Ärzten,
Juristen, Theologen und Politikern ausgelöst. (Gerhard Mumelter, Der Standard, Printausgabe)