"Ich dachte, weil ich ihn Wien aufgewachsen bin, war ich Österreicher". Doch dem war nicht so: Der Biochemiker, 19-fache Ehrendoktor, Schriftsteller und Kunstsammler Djerassi wurde am 29. Oktober 1923 als Sohn eines bulgarischen Vaters und einer österreichischen Mutter, die für die Heirat die bulgarische Staatsbürgerschaft annehmen musste, in eine jüdische Familie in Wien geboren - als bulgarischer Staatsbürger.
Nach der Scheidung
Als die Eltern sich scheiden ließen, bekam die Mutter als Ex-Österreicherin die österreichische Staatsbürgerschaft wieder. Für den Sohn wurde dies jedoch nicht genehmigt, wie Djerassi herausfand, als er sich vor sechs Jahren von sich aus um die österreichische Staatsbürgerschaft bemühte und sie aus ebendiesem Grund nicht bekam. Besonders erschüttert hat den Wissenschafter diese Feststellung nicht: "Ich sah das eher als amüsantes Beispiel der Bürokratie, dass sie diese Dokumente noch nach 100 Jahren finden", so Djerassi mit einem Lachen.
Einen großen Anteil daran, dass Djerassi nun erstmals mit legaler Berechtigung zu den Beuteösterreichern der Wissenschaftsgeschichtsschreibung zählt, hat indes die Kultur: Mit der Ausstellung von Werken aus Djerassis Paul Klee-Sammlung in der Kunsthalle Krems 2002 und der Premiere seines Stückes "Kalkül" im math.space im Wiener MuseumsQuartier 2003 sammelte Djerassi "Beweise, dass ich wirkliche Verdienste" um Österreich geleistet habe. "Vorher hatte ich ja, obwohl ich schon 1999 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst bekommen habe, keine. Nur dass ich hier geboren wurde, aber ich weiß nicht, was daran ein Verdienst sein soll". Dies und das Engagement des damaligen Kunsthallen-Leiters Carl Aigner führten laut Djerassi letztendlich dazu, dass er nun auf Grund seiner Verdienste um das Land Österreicher werden konnte.
Albertina
Zur Albertina-Eröffnung im Jahr 2003 war der Wissenschafter, der in einem Team auch für die erste Synthese von Cortison verantwortlich zeichnet, zufällig in Wien - und stiller Zaungast der Eröffnungsfeier. "Das hat mich wirklich zurück gebracht. Es hat mir sehr gefallen, dass in Zeiten ökonomischer Schwierigkeiten ein Staat mehr als 80 Mio. Euro für die Renovierung eines Museums ausgibt und dass dann so viele Leute zur Eröffnung kommen."
In Folge dessen ist ab heute eine seiner Lieblingsskulpturen als "Geschenk an die Wiener" vor der Albertina zu bewundern. "Dieses Werk habe ich 30 Jahre vor meinem Haus stehen gehabt. Es ist ein kinetisches, sich ständig im Wind bewegendes Werk, das sehr einfach aussieht und trotzdem unglaublich kompliziert ist. Das ist das Geniale bei Kunst als auch bei Wissenschaft: Wenn alle nachher sagen, 'das könnte ich auch'. Aber in Wirklichkeit hätte das niemand sonst machen können".
"Konservative Länder"