Das Spektrometer Omega untersuchte den Südpol des Mars: Das rechte Bild zeigt einen Ausschnitt des Südpols im sichtbaren Bereich, das mittlere Kohlendioxid (CO2) und das linke Wassereis (H2O).

Foto: ESA

Die europäische Raumfahrtagentur Esa verkündete am Freitag eine wissenschaftliche Sensation: Die ersten Daten der am 25. Dezember in ihre Umlaufbahn gebrachten Sonde "Mars Express" beweisen nach Ansicht der Forscher zweifelsfrei, dass einmal Wasser auf dem Mars geflossen ist. Gleich zwei Instrumente an Bord haben Wassereis gemessen. Die Suche nach Wasser auf dem Mars als Grundbaustein für Leben war eines der wichtigsten Ziele der Mission und beschäftigt Wissenschafter seit Jahrzehnten.

Beim ersten Überflug des Südpols am 18. Jänner maß das französische Infrarot-Spektrometer "Omega" Wassereis und Kohlendioxid-Eis am Südpol. "Ich hätte mir nie so eindeutige Bilder erwartet", sagte Jean-Pierre Bibring vom Institut für Astrophysik Orsay bei der Präsentation in Darmstadt und erklärte: "Omega analysiert das Licht in 352 Farbkanälen. Damit können wir chemische Elemente in Mineralien messen: Mehr Blau bedeutet mehr Kohlendioxidmoleküle", erklärte Bibring. Und: "Die Frage ist, warum und ab wann der Evolutionsprozess sich von jenem auf der Erde unterschied oder ob es Leben auf dem Mars gab, bevor die Evolution auf der Erde überhaupt begann."

Das hochauflösende italienische PFS-Spektrometer, das die Atmosphäre analysiert, bestätigt diese Daten. Es zeigte außerdem, dass es auf dem Mars mit bis zu vier Grad Celsius über null viel wärmer ist als bisher vermutet - minus 120 bis minus 30 Grad: "Wir könnten also durchaus dorthin in den Urlaub fahren", meinte Vittorio Formisiano vom Institut für Interplanetare Forschung in Rom. Der schwedische Elektronen-Neutronen-Analysator Aspera soll klären, ob ein Sonnenwind das Wasser auf dem Mars hat verschwinden lassen. Und das Experiment Spicam maß zum ersten Mal die Verteilung von Ozon und Wasserdampf: Wo weniger Ozon ist, gibt es mehr Wasserdampf.

Wie der Grand Canyon

Auch die hochauflösende Stereokamera HRSC lieferte neue Bilder. Mit einer Auflösung von rund zehn Metern pro Pixel (ausgewählte Flächen wurden mit bis zu zwei Metern pro Pixel abgelichtet) hat sie 1,87 Millionen Quadratkilometer fotografiert. "Wir können sicher sagen, dass es auf der Oberfläche Wasser gegeben hat", bestätigte Gerhard Neukum von der freien Universität Berlin, unter dessen Leitung die Kamera entwickelt wurde: "Die geologischen Formationen zeigen das ganz eindeutig." Er zeigte unter anderem ein Bild von Reull Vallis mit einem Kanal, der "von abwärts fließendem Wasser geformt wurde: Ähnlich wie im Grand Canyon wurde die Landschaft auf dem Mars von Wasser ausgewaschen. Man sieht an den Strukturen: Es gab in der Spätphase schlammiges Wasser, in der Frühphase riesige Ströme", erklärte er dem STANDARD.

Sollten die Europäer richtig liegen, hätten sie damit die ersten eindeutigen Beweise für die wichtigste Grundlage möglichen Lebens auf dem Mars gefunden. Denn bei bisherigen Missionen - wie jener der Nasa-Sonde "Mars Odyssey" 2002 - "konnte man nur Elemente wie Wasserstoff und Sauerstoff aufspüren", erklärte Wolfgang Baumjohann vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Und Wasserstoff lasse Wasser nur vermuten: "Durch die Infrarotaugen der Esa konnten dagegen erstmals Wassermoleküle nachgewiesen werden. Das ist eine echte Sensation".

Die Nasa reagierte hingegen zurückhaltend - fast zynisch. Die Esa-Entdeckung sei "keine große Neuigkeit". Die Daten bestätigten nur bisherige Erkenntnisse von "Mars Odyssey", sagte Programmdirektor Orlando Figueroa, doch "wir sind froh, dass der europäische Satellit auch in der Lage ist, zu sagen, wo."

"Wir haben ein Fragezeichen in ein Rufzeichen verwandelt", meinte dazu der aus Graz stammende "Mars-Express"-Projektleiter Rudolf Schmidt. Nun sei die Spannung bei der Esa auf dem Höhepunkt, "am 20. April beginnt die Suche nach unterirdischen Seen und Meeren." (Eva Stanzl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25. 1. 2004)