Wien - Um die oft kritisierte lange Verfahrensdauer von Zivilprozessen zu verkürzen, machen sich die österreichischen Landesgerichtspräsidenten für die Einführung eines Schnellverfahrens stark. Der mit Jahresbeginn neu bestellte Präsident des Oberlandesgerichts Wien, Harald Krammer, hält Unterhaltsverfahren, die länger als ein Jahr dauern, für "skandalös". Diese sollten in drei bis vier Monaten abgeschlossen sein. Um Schnellverfahren zu ermöglichen, bedarf es einer Novelle. Derzeit wären solche kurzen Verfahren rechtlich nicht möglich. Krammer folgt damit den Vorstellungen von Justizminister Dieter Böhmdorfer, der künftig jeden strittigen Zivilprozess binnen Jahresfrist in erster Instanz beendet sehen will.

Wird ein Schnellverfahren gewünscht, bedarf es der Zustimmung beider Parteien, sagte Krammer. Nicht möglich wäre freilich ein Schnellverfahren in erster Instanz und ein herkömmliches (langes) Verfahren in der zweiten Instanz. Schneller werden die Verfahren etwa, wenn die Parteien die Zeugen selbst mitbringen oder wenn Zwischenentscheidungen nicht mehr angefochten werden können.

Der Präsident des Wiener Handelsgerichts, Rainer Geißler, unterstützt den Wunsch nach Dezentralisierung und fordert gleichzeitig die Budgethoheit der Gerichtshöfe. Manches, wie das Berichtswesen, könnte direkt von den Landes- oder Bezirksgerichten erledigt werden. So verleite die zentrale Beschaffung dazu, Bücher anzukaufen, die gar nicht gewünscht werden. Selbst er, der Präsident des Handelsgerichts, müsse einen Antrag stellen, um Mitarbeiter aufnehmen oder kündigen zu können. Auch für so einfache Dinge wie Luftbefeuchter oder Diktiergeräte müssen drei Kostenvoranschläge erstellt werden, betont Geißler. (cr, Der Standard, Printausgabe, 22.01.2004)