"Ich bin baff", erklärte der Journalist Tony Wilson, der Lydon persönlich kennt, zu der Ankündigung des Privatsenders ITV. Die dritte Staffel der in Großbritannien trotz aller Medienkritik überaus beliebten Reality-Show startet am 26. Jänner im australischen Dschungel. Nicht nur Wilson ist über die Teilnahme des 47-Jährigen Ur-Punkers schockiert, der einst sein Publikum von der Bühne fragte: "Habt ihr jemals das Gefühl gehabt, verarscht zu werden?" Wilson demonstrierte Vertrauen in die Integrität des Musikers: "Ich bin sicher, er macht es aus den richtigen Gründen."
"Whatever happened to Punk Rock, maaaaan?"
Aber die Punk-Correctness sieht die Teilnahme an einer Gaffer-Show für Fernsehsessel-Benutzer nicht vor. Lee Randall schrieb im "Scotsman": "Die Ankündigung hat mich schlagartig altern lassen. Wenn es soweit mit dem 'Prince of Punk' gekommen ist, dann hat uns alle am Ende die Mittelmäßigkeit eingeholt." Charles Shaar Murray, Rock-Kritiker des "Guardian", kleidete Fassungslosigkeit in eine Frage: "Whatever happened to Punk Rock, maaaaan?"
Das nahezu unstillbare Verlangen der britischen Öffentlichkeit für Prominenten-Klatsch - wie wenig prominent die Person auch sein mag - hat den Reality-Shows im Königreich ein Millionenpublikum beschert. Da gibt es Spielarten wie "Celebrity Big Brother" und "Drop the Celebrity", in der ein B-Prominenter (mit Fallschirm) aus einem Flugzeug geworfen wird. Die "I'm a Celebrity"-Dschungel-Show zog bisher bis zu 14 Millionen Zuschauer vor den Fernseher. Das Verfahren und die Zutaten wie Maden, Spinnen und Schlangen sind ja inzwischen von RTL her bekannt.
Lydon geht mit Topless-Model Jordan, der ehemaligen 400-Meter-Läuferin Diane Modahl, dem 80er Jahre Pop-Pinup Peter Andre und dem 1996 wegen Versicherungsbetrugs inhaftierten Lord Brocket in das Dschungel-Camp. Mit von der Partie sind auch ein Mitglied einer früheren Girl-Group, ein früherer Fußballspieler, eine ehemalige Frau eines Fußballspielers, ein früherer BBC-Hofkorrespondent und ein Ex-DJ. Die Produzentin der Show, Natalka Znak, nennt dies "das bisher unberechenbarste Team".
"König des Dschungels"
Lydons Karriere begann 1975 mit den Sex Pistols und Songs wie "Anarchy in the U.K.". Ihre Version der Nationalhymne mit Zeilen wie "God save the queen, the fascist regime" rüttelten an den Grundfesten der britischen Gesellschaft. 1978 brach die Band während einer US-Tournee auseinander, beim letzten Auftritt fragte Lydon das Publikum, ob es sich jemals betrogen gefühlt habe...