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Die Sex-Pistols tourten im August 2003 durch die USA.

Foto: REUTERS/Jim Bourg
London - John Lydon alias Johnny Rotten hat wieder einmal alle erfolgreich vor den Kopf gestoßen: Zum Entsetzen der Punk-Fans vor allem der ersten Stunde tritt der einstige Frontmann der Sex Pistols demnächst in der britischen Version der Dschungel-Show "I'm a celebrity ... Get Me Out of Here!" auf. An seiner Seite: Ein Oben-Ohne-Model und ein verurteilter Betrüger - mithin Leute, die im Vereinigten Königreich als "C-Celebrities" bezeichnet werden.

"Ich bin baff", erklärte der Journalist Tony Wilson, der Lydon persönlich kennt, zu der Ankündigung des Privatsenders ITV. Die dritte Staffel der in Großbritannien trotz aller Medienkritik überaus beliebten Reality-Show startet am 26. Jänner im australischen Dschungel. Nicht nur Wilson ist über die Teilnahme des 47-Jährigen Ur-Punkers schockiert, der einst sein Publikum von der Bühne fragte: "Habt ihr jemals das Gefühl gehabt, verarscht zu werden?" Wilson demonstrierte Vertrauen in die Integrität des Musikers: "Ich bin sicher, er macht es aus den richtigen Gründen."

"Whatever happened to Punk Rock, maaaaan?"

Aber die Punk-Correctness sieht die Teilnahme an einer Gaffer-Show für Fernsehsessel-Benutzer nicht vor. Lee Randall schrieb im "Scotsman": "Die Ankündigung hat mich schlagartig altern lassen. Wenn es soweit mit dem 'Prince of Punk' gekommen ist, dann hat uns alle am Ende die Mittelmäßigkeit eingeholt." Charles Shaar Murray, Rock-Kritiker des "Guardian", kleidete Fassungslosigkeit in eine Frage: "Whatever happened to Punk Rock, maaaaan?"

Das nahezu unstillbare Verlangen der britischen Öffentlichkeit für Prominenten-Klatsch - wie wenig prominent die Person auch sein mag - hat den Reality-Shows im Königreich ein Millionenpublikum beschert. Da gibt es Spielarten wie "Celebrity Big Brother" und "Drop the Celebrity", in der ein B-Prominenter (mit Fallschirm) aus einem Flugzeug geworfen wird. Die "I'm a Celebrity"-Dschungel-Show zog bisher bis zu 14 Millionen Zuschauer vor den Fernseher. Das Verfahren und die Zutaten wie Maden, Spinnen und Schlangen sind ja inzwischen von RTL her bekannt.

Lydon geht mit Topless-Model Jordan, der ehemaligen 400-Meter-Läuferin Diane Modahl, dem 80er Jahre Pop-Pinup Peter Andre und dem 1996 wegen Versicherungsbetrugs inhaftierten Lord Brocket in das Dschungel-Camp. Mit von der Partie sind auch ein Mitglied einer früheren Girl-Group, ein früherer Fußballspieler, eine ehemalige Frau eines Fußballspielers, ein früherer BBC-Hofkorrespondent und ein Ex-DJ. Die Produzentin der Show, Natalka Znak, nennt dies "das bisher unberechenbarste Team".

"König des Dschungels"

Lydons Karriere begann 1975 mit den Sex Pistols und Songs wie "Anarchy in the U.K.". Ihre Version der Nationalhymne mit Zeilen wie "God save the queen, the fascist regime" rüttelten an den Grundfesten der britischen Gesellschaft. 1978 brach die Band während einer US-Tournee auseinander, beim letzten Auftritt fragte Lydon das Publikum, ob es sich jemals betrogen gefühlt habe...

In den 80er Jahren gründete Lydon die von Kritikern hoch gelobte Band Public Image Limited. 1996 gab es eine Pistols-Reunion für die "Filthy Lucre Tour" - Original-Bassist Glen Matlock ersetzte den 1979 verstorbenen Sid Vicious. "Wir haben einen gemeinsamen Grund gefunden, und das ist euer Geld", sagte Lydon damals. 2002 gab es zum Goldenen Thronjubiläum von Königin Elizabeth II. eine weitere Reunion. Bei den Londoner Buchmachern gilt Lydon bereits als Favorit für den Titel "König des Dschungels". Wilson, der auch Musikproduzent ist, erklärt: "Er ist einer der größten Rock-Stars aller Zeiten. Wenn ihn dadurch mehr Leute kennen lernen - und wenn ein oder zwei weitere Personen die erste Public-Image-Platte kaufen würden - dann wäre es das alles wert gewesen." (APA/AP)