Entwicklungsstufen so genannter neuer Wilder: Hubert Schmalix "Geile Nacht" (1996), Öl auf Leinwand, 172 x 132 cm.

Foto: Sammlung Essl
Zu sehen sind fallweise gute Bilder. Nicht zu sehen ist der überregionale Kontext, in dem sie endlich zu beurteilen wären.


Klosterneuburg - 1980 besuchte seit 198 Jahren erstmals ein Papst Deutschland. Die Sommerspiele in Moskau wurden einfach boykottiert. Muhammad Ali beendete seine Karriere. Der Viererbande wurde der Prozess gemacht. In Hamburg wüteten Werner Büttner, Martin Kippenberger und die Oehlen-Brüder. In Köln riefen Walter Dahn, Peter Bömmels und Jiri Georg Dokoupil die "Mühlheimer Freiheit" aus, bloß weil die drei Fauves just dort auf Nummer 110 ihr Atelier hatten.

In Berlin tobten Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Bernd Zimmer und das geile Tier Salomé. Die Schweiz verunsicherten Martin Disler und Leiko Ikemura, Miami Don Johnson. Die Musik war noch relativ einfach in Gut und Böse zu teilen. Eine Hand voll österreichischer Galerien musste notgedrungen dem Subventionstopf entsagen, weil sich mit all dem Geld verdienen ließ. Die Sammler trugen Schulterpolster, die Globalisierung wurde mit 14 Kilo schweren Mobiltelefonen vorangetrieben. Im Wiener Café Ring ahnte noch niemand, dass das Etablissement dereinst der kubanischen Revolution anheimfallen würde.

Die Welt war in Ordnung. Im Berliner Gropius-Bau wurde '82 Zeitgeist uraufgeführt, eine Ausstellung, die wie keine andere Zeitgeistmagazine nach sich zog. Das österreichische Druckwerk hieß Wiener, die passende Schau im 20er-Haus Hacken im Eis. Die war allerdings erst 1986 und zudem auch noch in Bern. Und begonnen hat überhaupt alles in Italien Ende der 70er-Jahre. Transavanguardia oder auch Arte cifra wurde getauft, was Sandro Chia, Enzo Cucchi und Francesco Clemente dort gestisch anrichteten und in seiner deutschen Ausprägung nach einer Schau im Berliner Haus am Waldsee dann "Heftige Malerei" gerufen wurde. Oder eben auch "Junge Wilde".

Und zu Italien ist noch zu sagen, dass man den Mimmo Paladino nicht vergessen darf, der aber rein phonetisch nicht ins Bild der drei großen C passt, die in jener Zeit des kapitalen Übermuts aus Kunstmessen erst Märkte machten.

Und vorausschickend jetzt noch eines: "jung und wild" war, sieht man einmal von Elvira Bach ab, eindeutig männlich besetzt. In Frankreich durch Jean Charles Blais, was jetzt aber echt nicht ablenken soll, endlich an Österreich zu denken.

Gerade jetzt, wo Maturatreffen ist. Bei Essls. In Klosterneuburg. Und alle sind gekommen: Der Anzinger Siegfried, der Bohatsch Erwin, der Brandl Herbert, der Damisch Gunter, der Danner und auch der Kern Josef, der Mosbacher Alois und natürlich auch der Scheibl Hubert. Der Walter Vopava ist auch dabei. Und der Franz Grabmayr auch. Und der Rudolf Goessl.

Bilder und Vorbilder

Von der Lehrerschaft haben die Essls Kurt Kocherscheidt und Maria Lassnig geladen. (bezogen auf die deutschen Wilden hießen die Baselitz oder Hödicke oder Penck). Von allen werden ältere und jüngere Arbeiten gezeigt. Ein Bogen also, den man, je nachdem, mit der Frage "Was wurde eigentlich aus?" oder "Was hat der eigentlich früher gemacht?" benennen könnte. Und das ist es auch schon. Eine sentimentale Zusammenschau, ein Akt, die Willkür einer Marke zu bekräftigen. Und damit zu enden, dass das oft für tot befundene Tafelbild nichts an Aktualität und Kraft verloren hat. Als hätte das in den letzten Jahren irgendwer ernsthaft angezweifelt. Selbstverständlich werden all die Maler auch als postmodern erkannt. Ganz so, als ob sie auch noch dafür etwas könnten. Sicher, es ist eine ganze Reihe verdammt guter Bilder zu sehen. Und da es immer schwieriger wird, solche zu erzeugen, kann man ganz zuversichtlich sein, weil mit die Besten aus der Schau - sagen wir, sie sind von Anzinger, Schmalix, Bohatsch, Brandl und Vopava - aus jüngsten Tagen stammen. Und auch mit den Karrieren der Austro-Fauves kann man teilweise recht zufrieden sein. Arriviert sind einige allemal. Aber so ganz Transavanguardia-mäßig global hat es bei noch keinem geklappt. Und das liegt mit an Selbstbespiegelungen wie dieser. Verbindet doch all die so unterschiedlichen Lebensläufe eines: Im Kontext ihres eigenen (postakademischen) Umfeldes wurden sie Dutzende Male gesehen. Die Ausflüge in weitere Referenzkategorien dagegen sind eher selten. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2004)