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Nichts funktioniert, Sorgenfalten mehrten sich. Und Silvio Berlusconi entschied sich für einen kosmetischen Eingriff. Für die EU-Wahl wollte er frisch ausschauen.

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Die Posttarife werden erhöht, die Briefmarken dafür fehlen. Eine verspätete Schulreform treibt Eltern und Lehrer auf die Straße. - Italiens Bürger müssen mit den alltäglichen Fehlleistungen ihrer Regierung zurechtkommen.

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Sergio Baronci ist aufgebracht. "Es ist unfassbar", schimpft der Vorsitzende der Trafikantenvereinigung. "Unfassbar" findet Baronci, dass Italiens Regierung mit 1. Jänner die Postgebühren erhöht hat, aber die entsprechenden Briefmarken nicht existieren. Das Porto für einen Normalbrief wurde von 41 auf 45 Cent erhöht. Aber die Marke zu 45 Cent gibt es noch nicht. "Unsere Kunden müssten zur alten Marke zwei zu 2 Centesimi kleben", erregt sich Baronci, "doch diese Werte existieren nicht."

Gegen den Dilettantismus ihrer Regierung kämpfen die Italiener an mehreren Fronten. "Wir schlafen heute in der Turnhalle", versichert Maria Mengozzi. Das Elternkomitee, dem sie angehört, hat eine Schule im römischen Stadtteil Primavalle besetzt. Aus Protest gegen die Schulreform. Seit Tagen belagerten Tausende Mütter die Sekretariate der italienischen Schulen. Die Frist zur Einschreibung der Kinder läuft ab, doch die oft angekündigte Schulreform ist nicht in Sicht. Niemand weiß, ob die Unterrichtszeit in der Ganztagsschule 27 oder 40 Stunden dauern wird.

"Ein beispielloses Chaos", schimpft der Sprecher der Democratici di Sinistra im Senat, Gavino Angius. Unter dem Druck der Eltern trat Unterrichtsministerin Letizia Moratti die Flucht nach vorn an. In einem Rundschreiben nahm sie die Inhalte der geplanten Reform vorweg, noch bevor das Parlament sie verabschiedet hat. Für Samstag ist in Rom eine Großdemo gegen die Schulreform angesetzt.

Der Dilettantismus der Regierung verursacht auch innerhalb der Koalition Ärger. "Dilettanten an die Front", erregte sich der christdemokratische Parteichef Marco Follini, als bei der Behandlung des Haushaltsgesetzes Kapitel vorgelegt wurden, für die jede finanzielle Deckung fehlt. Kammerpräsident Pierferdinando Casini weigerte sich, darüber abstimmen zu lassen.

Vergeblich warnten Verfassungsrechtler vor "dilettantischen Machwerken" wie dem vom Staatspräsidenten rückverwiesenen Mediengesetz oder der vom Verfassungsgericht abgelehnten Immunitätsregelung. Um die Abhaltung des Filmfestivals von Venedig sicherzustellen, musste der Verwaltungsrat - seine Amtszeit war abgelaufen - einen Drei-Monats-Beratervertrag mit dessen Chef Moritz de Hadeln abschließen. Grund: Das Biennale-Reformgesetz war nicht im Amtsblatt der Republik veröffentlicht worden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.1.2004)