London/Wien - Der britischen University of Cambridge, einer der Top-Hochschulen der Welt, fehlen jährlich 36 Millionen Euro für Professorengehälter, Forschungsprogramme, Bibliotheksaufstockungen und sonstige Anschaffungen. "Gehälter werden so gut wie nicht mehr erhöht, und wir müssen uns ernsthaft überlegen, wie wir das Niveau der Professorenschaft halten können", betonte Vizerektorin Alison Richard in einem Gastbeitrag für den "Guardian", und: "Ohne eine signifikante Budgetaufstockung ist unsere Position als Spitzenuniversität ernsthaft gefährdet."

Britischen Unis fehlen nach Berechnungen von Bildungsminister Charles Clarke insgesamt 16,5 Milliarden Euro. Anders als in Deutschland, wo die SPD derzeit eine Verknüpfung von Qualitätsfinanzierung mit Studiengebühren ablehnt, will Großbritannien budgetäre Löcher durch eine Anhebung der im EU-Vergleich ohnehin schon hohen Studiengebühren zumindest teilweise stopfen.

Variable Gebühren

Clarkes neuer Gesetzesentwurf erlaubt den Universitäten, ab 2006 nach eigenem Gutdünken pro Jahr bis zu 4300 Euro Studiengebühren zu kassieren. Bisher gilt ein Einheitssatz von 1700 Euro. An die 100 Abgeordneten der Labour-Partei drohen, dem Entwurf nicht zuzustimmen. Umgekehrt hat Premierminister Tony Blair seine politische Zukunft an die flexible Gebührenregelung geknüpft. Vor 40 Jahren, lauten die Argumente dafür, besuchten sechs Prozent der Jungen die Universitäten. Heute seien es 43 Prozent: Öffentliche Gelder müssen daher aus privater Hand kompensiert werden.

Die britische Qualitätsdebatte ist im Klassensystem des 19. Jahrhunderts verwurzelt, wo es mit Oxford und Cambridge nur zwei Unis gab. "Oxbridge"-Studenten bekamen die besten Berufe, gleichzeitig ebnete Geld den Eintritt: Teure Privatschulen boten die beste Vorbereitung. Die Ende des 19. Jahrhunderts erbauten "Red Brick"-Universitäten wie Manchester gelten als zweite Liga. Ganz unten stehen die neueren Fachhochschulen.

Umfrage

Geht der Gesetzesentwurf durch, wollen zwei Drittel der Traditionsuniversitäten die Top-Gebühr verlangen, ergibt eine Umfrage des "EducationGuardian.co.uk" - um auch Stipendien weiterhin finanzieren zu können. Befragt wurden 53 der 89 Rektorate. Sie argumentieren, dass die öffentlichen Gelder in den letzten 20 Jahren um die Hälfte geschrumpft seien. Einige Unis wollen weniger nachgefragte Fächer abschaffen.

Neuere Hochschulen hingegen sehen in variablen Gebühren eine Chance: "Wir könnten damit eine neue Elite ansprechen", meinte Chris Taylor, Vizerektor der Bradford University, denn wohlhabende Studenten seien nicht unbedingt die besten. (east, DER STANDARD, Print, 16.01.2004)