Rom - Nach dem Entscheid des römischen Verfassungsgerichts, der am Dienstag ein im Juni verabschiedetes Immunitätsgesetz als gesetzwidrig bezeichnet hat, muss der so genannte Korruptionsprozess SME gegen den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi aufs Neue vor einem anderen Gericht beginnen. Das Verfahren wird sehr wahrscheinlich in zwei Monaten beginnen, berichtete der zuständige Mailänder Gerichtspräsident Francesco Castellano nach Angaben der italienischen Tageszeitung "Il Giornale" (Mittwoch-Ausgabe).

Termin soll in 15 Tagen feststehen

Nach der Veröffentlichung des Verfassungsgerichts-Erkenntnisses im Amtsbuch kann der Termin für den Beginn des Verfahrens festgelegt werden. Dies soll in spätestens 15 Tagen erfolgen. Es besteht die Möglichkeit, dass Akten und Ergebnisse aus dem im Juni abgebrochenen Verfahren in den neuen Prozess übernommen werden, dieser also nicht unbedingt wieder mehrere Jahre dauert, hieß es in Justizkreisen. Die Verteidiger Berlusconis forderten dagegen einen kompletten Neubeginn des Verfahrens.

Seit dreieinhalb Jahren

Der Prozess gegen Berlusconi war bereits seit dreieinhalb Jahren im Gange, ehe er im vergangen Juni nach der Verabschiedung des Immunitätsgesetzes kurz vor Beginn der italienischen EU-Präsidentschaft suspendiert werden musste. Das neue Gesetz war noch rechtzeitig beschlossen worden, um zu verhindern, dass das internationale Ansehen des turnusmäßigen EU-Ratsvorsitzenden Berlusconis durch eine mögliche Verurteilung wegen Korruption gefährdet werden konnte.

Richterbestechung

Bei dem Verfahren gegen Berlusconi geht es um Richterbestechung im Rahmen der Übernahmeschlacht um den ehemals staatlichen Nahrungsmittelkonzern SME Mitte der 1980er Jahre. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Berlusconi und seinen Vertrauten Cesare Previti, Richter mit hohen Summen bestochen zu haben, um ein für sie positives Urteil zu erwirken. In der ersten Instanz wurde Previti vor zwei Monaten von diesem Vorwurf freigesprochen, er wurde allerdings wegen Korruption zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Halbe Million Unterschriften für Referendum

Der frühere Ankläger Berlusconis, Antonio Di Pietro, hofft auf eine schnelle Wiederaufnahme des Korruptionsprozesses gegen Berlusconi: "Wir wollen wissen, ob wir an der Regierung einen Unschuldigen oder Schuldigen haben", sagte er. Di Pietro hatte in den letzten Monaten eine halbe Million Unterschriften für ein Referendum gegen das Immunitätsgesetz gesammelt.

Anwalt hofft auf schnellen Verfahrensabschluss

Die Verteidigung von Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi hofft auf einen schnellen Abschluss des Korruptionsverfahrens gegen den Ministerpräsidenten. "Ein schneller Abschluss des Verfahrens - vor den Europawahlen im Juni - liegt in unserem Interesse", sagte Berlusconis Anwalt Niccolo Ghedini am Mittwoch vor Journalisten in Rom. "Mit der Ernennung eines neuen Richtergremiums hoffen wir auf einen ausgeglichenen Prozess." Die Verabschiedung eines neuen Immunitätsgesetzes vor dem Verfahrensende halte er für "unpassend", betonte der Anwalt, der zugleich Abgeordneter von Berlusconis Partei Forza Italia ist. "Dann würde man uns wieder ein maßgeschneidertes Gesetz vorwerfen."

(APA)