In zehn Tagen soll Bundespräsident Thomas Klestil zu einem Staatsbesuch in den Iran reisen - falls ihm bis dahin nicht sein iranisches Gegenüber, Mohammed Khatami, abhanden kommt. Zwar haben Regierungskreise seine von einer Zeitung verkündete Rücktrittsdrohung dementiert, aber dass Khatami, der seine Ohnmacht gegenüber den reformfeindlichen Kräften wiederholt öffentlich beklagt hat, frühzeitig aufgeben könnte, liegt schon länger in der Luft. Die Lage ist dramatisch genug: Mehrere Regierungsmitglieder wollen gehen, sollte der konservative Wächterrat seine Entscheidung aufrechterhalten, dass mehr als achtzig der gegenwärtigen Abgeordneten bei den Parlamentswahlen Ende Februar nicht antreten dürfen, neben anderen Tausenden Personen, deren Kandidatur abgelehnt wurde.

Wahrscheinlicher ist jedoch im Moment folgendes Szenario: Der Wächterrat, der lange Arm von Revolutionsführer Ali Khamenei, lässt einen Berufungsprozess zu, bei dem ein Gutteil der Ablehnungen revidiert wird. Worauf eine allgemeine Beruhigung eintreten würde - wobei jedoch gleichzeitig die aufmüpfigsten Kritiker des Regimes weiter aus dem Wahlprozess ausgeschlossen blieben. Damit würden sich die Konservativen begnügen, ihre maximalistischen Wünsche, alle auch nur leise kritischen Stimmen mit einem Schlag auszuschalten, würden sie zugunsten der Stabilität opfern.

Und ihre Botschaft, die die Machtlosigkeit der Reformer zum Inhalt hat, würde trotzdem ankommen. Sie ist längst angekommen: Bei den Wahlen Ende Februar erwarten Beobachter einen herben Rückschlag für die fortschrittlichen Kräfte, deren Wähler, von jahrelangen unerfüllten Versprechungen frustriert, zu Hause bleiben könnten. Die Hoffnung, dass der Schritt des Wächterrats die Reformwilligen aufweckt, wird sich nur bedingt erfüllen, zu viel - allen voran die liberale Presse - wurde in den vergangenen Jahren zerstört. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2004)