Bagdad/Washington - Die USA widersetzen sich der Forderung der Schiiten nach allgemeinen Wahlen zu der geplanten Übergangsversammlung im Irak. US-Zivilverwalter Paul Bremer hat sich damit auf eine Kraftprobe mit der höchsten religiösen Autorität der schiitischen Bevölkerungsmehrheit, dem Großayatollah Ali Sistani, eingelassen. Bremer forderte den provisorischen "Regierungsrat" in Bagdad auf, die Bildung der Übergangsversammlung auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 15. November vorigen Jahres voranzutreiben. Demnach sollen von der Besatzungsmacht ernannte Provinzvertreter die Mitglieder der Übergangsversammlung bestimmen.

Sistani bestand auf Wahlen

Aufgabe der Versammlung ist es, bis Ende Juni eine Übergangsregierung einzusetzen, der die Besatzungsmacht am 1. Juli die volle Entscheidungsgewalt übertragen soll. "Das Abkommen vom 15. November (zwischen US-Verwaltung und Regierungsrat) ist der beste Weg zur Wiederherstellung der Souveränität des irakischen Volkes", hieß es in einer am Montagabend veröffentlichten Erklärung Bremers. Sistani besteht jedoch auf Wahlen. "Wir wollen, dass es allgemeine freie Wahlen gibt und kein Ernennungsverfahren", sagte der Großayatollah am Montag. Die von den USA vorgeschriebenen Modalitäten seien nicht Ausdruck des Willens des irakischen Volkes. Die USA und die nicht-schiitischen Gruppen im "Regierungsrat" sind gegen eine Direktwahl, da eine solche automatisch zu einer absoluten Schiiten-Mehrheit in der Übergangsversammlung führen würde.

UNO-Einschaltung verlangt

Der turnusmäßig amtierende Vorsitzende des "Regierungsrates", Adnan Pachachi, war am Sonntag in der Schiiten-Hochburg Najaf mit Sistani zusammengetroffen, ohne eine Haltungsänderung des religiösen Oberhauptes herbeiführen zu können. Der Sprecher des "Regierungsrates", Hamid al Kifai, sagte, es sei nicht möglich, unter den gegenwärtig herrschenden Zuständen allgemeine Wahlen durchzuführen. Der Großayatollah hat die Einschaltung der Vereinten Nationen in den Prozess der Wiederherstellung der irakischen Souveränität verlangt.

USA: Regionalwahlen in bestimmten Teilen des Irak

Ungeachtet der Ablehnung baldiger allgemeiner Wahlen sind die USA an Regionalwahlen in bestimmten Landesteilen des Iraks interessiert. Es gebe Gespräche mit den "verschiedenen Parteien" im Irak über die Modalitäten, wie Regionalversammlungen gewählt werden könnten, die dann die traditionelle Versammlung zur Wahl der Regierungsmitglieder berufen sollten, sagte der stellvertretende US-Außenamtssprecher Adam Ereli am Dienstag in Washington.

Ein weiterer US-Vertreter sagte, in einigen sicheren Regionen des Landes seien Wahlen in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen möglich; nicht aber in allen Landesteilen. Bei dem im November festgelegten Zeitplan für die Rückkehr des Iraks zur Selbstverwaltung Ende Juni bleibe es jedoch, bekräftigte Ereli; darin sind allgemeine Wahlen vor 2005 nicht vorgesehen.(APA)